„Zune“ wird kein iPod-Killer
Es fällt nicht leicht, mit einem milliardenschweren Computerkonzern Mitleid zu haben. Doch die armen Jungs bei Microsoft mag man schon ein bisschen bedauern. Da dominieren sie seit Jahrzehnten die Computerbranche, werden in Sachen Innovation, Coolness und Image aber immer wieder von Apple vorgeführt – so auch am Montag.
Bei Microsoft hat man sicherlich gehofft, den unliebsamen Konkurrenten in den Schlagzeilen einmal überflügeln zu können. Immerhin hatte man eine sensationelle Nachricht zu verkünden: Der iPod-Killer ist da! Erste mp3-Spieler der Projektreihe „Zune“ sollen noch in diesem Jahr auf den Markt kommen, ein eigenes Portal müsste umgehend mitgeliefert werden.
Doch die Wall Street macht nicht allzu viel aus der Ankündigung. Keiner glaubt, dass Microsoft auch nur den Schein einer Chance hat, Apple nennenswert Marktanteile streitig zu machen. „Microsoft hat 10 Milliarden Dollar in MSN gesteckt, und AOL und Yahoo nicht einmal eine Beule zugefügt“, lästert der Branchenanalyst Carl Howe. Bei der XBox 360 fällt die Bilanz bekanntlich nicht viel besser aus: Um die Konsole zwischen Nintendo und PlayStation überhaupt platzieren zu können, verkauft man unter dem Herstellungspreis. Laut Insidern soll Microsoft im letzten Jahr im Spielesektor 1,3 Milliarden Dollar Verlust eingefahren haben.
„Coole“ Produkte wie Spielekonsolen liegen dem Unternehmen eben nicht. Microsoft steht für das konservative grau, wenig einfallsreiche Formen, für Klarheit und Struktur, aber ganz bestimmt nicht für Kreativität. Darum geht es aber bei mp3-Spielern, die schließlich nicht nur Musik spielen, sondern auch schick aussehen wollen. So steht für viele an der Wall Street bereits fest, dass Microsoft mit „Zune“ scheitern wird. Da hilft es wenig, dass ein Trailer auf
www.comingzune.com durchaus appetitanregend ist.
Tatsächlich lässt ein Blick auf verschiedene Hightech-Blogs erkennen, dass Microsoft wieder einmkal keine sensatiolle Innovation plant. „Zune“ soll ein portabler Spieler sein, offensichtlich mit Video-Funktion und möglicherweise gedoppelt mit einem Handy. Damit steht man auf dem Stand von Apple 2004, als erstmals eine Kooperation mit Motorola erwähnt wurde. Seither gibt es das iTunes-Phone ROKR, und ein Blick auf die Designstudien für weitere Motorola Modelle lässt Microsoft alt aussehen.
Genau daran dürfte der Konzern aus Redmond scheitern. Um mit Aplpe mithalten zu können, müsste Microsoft nicht nur technische Hürden überwinden (schwierig), eine ansprechende und komplette Musikdatenbank aufbauen (noch schwieriger), sondern vor allem ein Gerät entwickeln, das weniger Hardware als vielmehr Lebensgefühl ist (absolut unmöglich).
Umso leichter scheint es hingegen Apple zu fallen, mit einzelnen Produkten ein Gefühl zu schaffen. Abgesehen von der Ubiquität des iPod auf der Straße hat sich um den Spieler eine virtuelle Community gebildet, die fast schon in der Zukunft lebt, Studien für neue Modelle im Internet aufdeckt und in Blogs diskutiert. Letzter Schrei: der iPod mit „touch-less touchscreen“, mit einem Tast-Bildschirm also, denn man nicht einmal mehr berühren muss. Was nach einer völlig abgefahrenen Phantasie klingt, kommt aus dem Patentantrag eines Apple-Zulieferers, der – samt einer Zeichnung – größere Schlagzeilen bekommt als die offizielle Ankündigung für „Zune“.
Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.