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Alt 11-07-2006, 18:56   #511
Starlight
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Beobachtungen zum US-Haushalt

Für Hank Paulson hätte der neue Job kaum schöner beginnen können. Einen Tag nachdem der ehemalige CEO von Goldman Sachs als 74. Finanzminister der USA vereidigt worden war, saß er am Dienstagmorgen im Weißen Haus und hörte einen Haushaltsbericht, der deutlich besser ausfiel als bisher erwartet.

Nicht dass Paulson mit dem von Präsident George W. Bush irgendetwas zu tun hätte – die Pläne fallen noch komplett in die Amtszeit seines Vorgängers John Snow –, doch lässt es sich in seiner Position leichter schalten und walten, wenn das Defizit in den Staatskasten mit 296 statt der bisher befürchteten 423 Milliarden Dollar gemessen wird.

Doch nicht nur Paulson gefiel der Budget-Bericht. Vor allem Präsident Bush war am Morgen guter Laune. Dauergrinsend sah der mit guten Nachrichten nicht eben verwöhnte Texaner die Wirksamkeit seiner seit Jahren umstrittenen Steuersenkungen bewiesen, zumal es die summarisch höheren Steuereinnahmen aus Corporate America sind, die für die unerwartete Verbesserung gesorgt haben.

Dennoch ist die neue Haushaltsschätzung des Congressional Budget Office, einer überparteilichen Behörde in Washington, nicht unumstritten – und auch die Steuerpolitik des Präsidenten wird es nicht bleiben. Zum einen können Experten Bush weiterhin vorhalten, dass er seine Amtszeit mit einem gewaltigen Haushaltsüberschuss angetreten hatte, für das Experten beider Parteien damals ein Wachstum auf 5,6 Billionen Dollar über zehn Jahre prognostiziert hatten.

Von einem Defizit war damals nicht die Rede, dazu haben erst die Terrorangriffe des 11. September, die teuren Kriege in Irak und Afghanistan, die Milliardenkatastrophe von New Orleans im letzten Sommer, hohe Zinsen für bestehende und wachsende Schulden im Ausland und nicht zuletzt die schwächeren Staatseinnahmen gesorgt. Insofern dürfte jeder Schritt aus dem Defizit heraus als nicht mehr als Pflichterfüllung gewertet werden, Grund zum Jubel gibt es eigentlich nicht.

So sehr man sich im Weißen Haus über eine Trendwende freut und das Wahlkampfziel nahe glaubt, das Defizit bis 2009 halbiert zu haben, so sehr sollte man sich die Zahlen sowieso noch einmal im historischen Vergleich anschauen. Dann zeigt sich, dass die Steuereinnahmen aus Corporate America zwar deutlich gewachsen sind, was auf eine stark boomende Konjunktur schließen lässt. Allerdings erholen sich die Einnahmen lediglich von historischen Tiefständen, die erst unter der Bush-Regierung überhaupt erreicht worden waren. Im Prinzip nähere man sich lediglich den Werten, die man bereits vor einer Dekade gesehen habe, meint Robert Greenstein, der Direktor des Center on Budget and Policy Priorities, einem liberalen Think Tank.

Zudem lässt sich nicht darüber hinwegsehen, dass die Steuerbelege aus Corporate America letztlich doch nur das zeigen, was Kritiker der Bush-Politik immer befürchtet hatten: Den Unternehmen geht es besser, den Angestellten aber nicht. Die hoch besteuerten Unternehmensgewinne sind im letzten Jahr dramatisch gestiegen, die weniger aggressiv besteuerten Löhne hingegen nicht. Diese Umverteilung sorgt für den Einnahmen-Anstieg, dessen Ende dann kommt, sobald die Unternehmensgewinne gipfeln – damit rechnen Analysten an der Wall Street bereits in diesem Quartal, spätestens aber bis Jahresende.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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