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Alt 06-07-2006, 20:56   #508
Starlight
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Tabak-Konzerne atmen auf

Eine Entscheidung in letzter Minute lässt am Donnerstag die Tabak-Aktien klettern. Wenige Stunden vor Beginn der Sommerpause hat der Oberste Gerichtshof von Florida ein 145-Milliarden-Urteil gegen Altria und andere Branchenriesen revidiert, die mehr als zehn Jahre lang auf einen endgültigen Schiedsspruch gewartet hatten.

Mit dem Urteil vom Donnerstagmorgen dürfte der „Fall Engle“ ein Ende gefunden haben. Mit mehr als zehn Jahren ist er damit einer der langwierigsten Schadenersatzprozesse in der Rechtsgeschichte der Vereinigten Staaten. Einer der meist diskutierten ist er ohnehin, nicht zuletzt wegen des grotesk überzogenen Streitwerts von zuletzt 145 Milliarden Dollar.

Genau diese rekordverdächtige Zahl ist nun vom Tisch – zur Erleichterung der Tabakbranche und zahlreicher Anleger. Denn hätten Altria und die übrigen Beklagten, darunter Reynolds American, Lorillard, Loews und die Vector-Tochter Liggett, diese Summe tatsächlich zahlen müssen, wäre nicht weniger als die Existenz manches Konzerns gefährdet gewesen.

Die Richter am Obersten Gerichtshof im Bundesstaat Florida haben die Rekord-Summe vor allem aus diesem einen Grund endgültig abgelehnt: weil sie „nach Auslegung des Gesetzes als exzessiv zu bezeichnen“ wäre.

Nichts dass indes der Streitwert alleine den „Fall Engle“ umstritten gemacht hätte. Seit Jahren wird heiß debattiert, ob die Sammelklage des Arztes Howard Engle überhaupt in dieser Form hätte zugelassen werden dürfen. Engle und fünf weitere Kläger hatten die Zigarettenbranche zunächst „im Namen aller Raucher in Amerika“ verklagt, da die Unternehmen über die Schädlichkeit ihrer Produkte gelogen hätten.

Von den tatsächlichen Marketingmethoden der nicht eben geliebten Branche einmal abgesehen, zeigte sich recht schnell, dass eine Sammelklage für alle Raucher nicht zulässig wäre. So wurde der „Fall Engle“ schließlich für 700 000 Raucher in Florida eingereicht, was ein Berufungsgericht zuletzt vor drei Jahren erneut als unzulässig beurteilte. Die einzelnen Schiksale der Kläger seien viel zu unterschiedlich, als dass Grund zu einer Sammelklage gegeben sei.

Dieses Argument indes, ebenso wie alle anderen Kritikpunkte an Klage und Urteil, hatten bis zuletzt keinerlei Klarheit darüber gebracht, ob Altria & Co. nun zahlen müssten – und wieviel. Erst mit dem jetzigen Schiedsspruch steht fest, dass die 145 Milliarden Dollar vom Tisch sind, was den Unternehmen ermöglicht, Bar-Reserven von zig Millionen Dollar aufzulösen und zu investieren. Branchenriese Altria indes denkt schon einen Schritt weiter und könnte endlich die Pläne umsetzen, nach denen das weit verzweigte Konglomerat in bis zu drei eigenständige Unternehmen aufgeteilt werden soll.

Anleger reagieren entsprechend euphorisch auf die Nachricht aus Florida; sämtliche Tabakaktien stehen dick im Plus.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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