Amerika soll „Smart“ werden
Dass Dr. Dieter Zetsche am Dienstag in New York den prestigeträchtigen Vernon A. Walters-Award der Atlantik-Brücke ohne stehende Ovationen entgegennehmen musste, hatte nur einen Grund: Zu viele lange Reden, Laudatio und Preisverleihung waren vor den Hauptgang gelegt worden, das Publikum war erschöpft. Zu tosendem Applaus reichte die Kraft dennoch.
Der CEO von DaimlerChrysler galt vielen Gästen bei der jährlichen Gala der deutsch-amerikanischen Atlantik-Brücke als der verdienteste Träger in der langjährigen Geschichte des Preises, der nach dem früheren amerikanischen Botschafter in Deutschland benannt ist. Kein Wunder, ist Zetsche doch CEO des einzig wirklich deutsch-amerikanischen Konzerns. Zudem war er es, der den lange umstrittenen Merger zwischen dem sehr deutschen Unternehmen Daimler und dem sehr amerikanischen Unternehmen Chrysler überhaupt erst funktionierten machte.
Das war nicht einfach, wie Laudator Joseph Califano erinnerte. Der frühere US-Gesundheitsminister, den Lee Iacocca in den Achtzigern in den Chrysler-Vorstand berief, und der den Merger und die Bemühungen Zetsches aus nächster Nähe miterlebte, fand den treffenden Vergleich: „Daimler und Chrysler passten zusammen wie Apfelkuchen und Sauerkraut. Kritikern in Deutschland und den USA hat die Sache nicht geschmeckt.“ Zu unterschiedlich sei die Unternehmenskultur beider Firmen gewesen, und entsprechend skeptisch sei der Vorstand gewesen, als „dieser Mann aus Stuttgart mit seinem Walross-Bart“ ankam und sich als der neue Chef vorstellte.
Heute ist man bei Chrysler voll des Lobes über den Chef. Zetsche hat in den letzten Jahren nicht nur die zweite Auferstehung des legendären US-Herstellers verantwortet, sondern dabei vor allem stets die amerikanische Komponente der Konzernführung beachtet und perfekt in die des deutschen Partners integriert. Das klappte vor allem, weil Zetsche bereits vor Amtsantritt in Detroit Amerika-Erfahrung hatte, Land und Leute kannte und verstand.
Genaue Kenntnis der amerikanischen Seele ist auch Voraussetzung für das neueste Projekt von Zetsche. Einen Tag nach Entgegennahme des deutsch-amerikanischen Preises machte das Unternehmen am Mittwoch offiziell, was bereits in den letzten Wochen durchgesickert war: Der Smart soll die USA erobern. Das ist umso spannender, als der Kleinstwagen auf deutschem Mist gewachsen ist und zwischen New York und Los Angeles gegen die gleichen Kulturdifferenzen ankämpfen muss, denen sich Daimler bei Chrysler gegenüber sah.
Amerikanern nämlich ist das Auto allgemein mehr als nur ein Transportmittel. Im Land von Pickup-Truck und SUV ist größer immer noch besser, der kleine Hüpfer mit gerade einmal 2,5 Metern Länge und 1,5 Metern Breite sorgt beim US-Publikum in allererster Linie für Gelächter.
Doch sind Zetsche und sein Smart-Importeur Roger Penske von der United Auto Group sicher, dass vielen das Lachen im Halse stecken bleiben wird. Aufgrund steigender Spritpreise dürften manchen die 75 Meilen begeistern, die Smart-Fahrer im Optimal-Fall aus einer Gallone Sprit herausholen können – drei Mal so viel wie die meisten US-Modelle schaffen.
Die steigenden Öl- und Benzinpreise spielen dem Smart also in die Hände, doch muss man auch in anderen Bereichen Imagearbeit betreiben. Die Sicherheit des Hüpfers, die trotz verstärktem Chassis und einem ausgeklügelten Airbag-System alles andere als offensichtlich ist, muss beim Kunden ankommen, ebenso die Tatsache, dass der Kleine durchaus zum Transport von Einkäufen ausreicht.
Das größte Problem indes wird sein, praktisches Denken beim US-Kunden dominant zu verankern. Wer mit dem Auto Männlichkeit und Potenz verbindet, wird am Smart schulterzuckend vorbeilaufen. In den Ballungszentren New York, L.A., San Francisco und Seattle aber, die der Smart ab Ende 2007 zuerst ansteuern wird, dürfte sich ein Sinneswandel am ehesten herbeiführen lassen.
Zumal der Preis von 15 000 Dollar durchaus für den Kleinen spricht, der sich in einem Testlauf in Kanada bereits bewährt hat. Statt der anpeilten 2000 wurden im Testzeitraum 4000 Wagen abgesetzt, und solche Zahlen lassen die Smart-Partner Zetsche und Penske optimistisch in die Zukunft blicken.
Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc
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