Milliardenbetrug nach Katrina
Datenklau und Kreditkartenbetrug sind längst alltäglich geworden, doch wird am Mittwoch ein außergewöhnlicher Fall enthüllt: Opfer ist die US-Regierung – aus eigener Schuld. Unzureichende Sicherheitsmaßnahmen und Pfusch bei der Ausgabe von Kreditkarten an Hurrikan-Opfer haben einen Milliarden-Betrug möglich gemacht.
Ganz überraschend ist es nicht, dass die Rechnungsprüfer in Washington nun ein Dreivierteljahr nach den verheerenden Unwettern zwischen Florida und Louisiana eine Reihe dramatische Fehler im System aufdeckten. Immerhin war längst bekannt, wie unvorbereitet Washington auf die Hurrikans war, wie wenig Priorität die Rettungsaktivitäten in New Orleans und Biloxi hatten und dass es an Fachleuten mangelte, nachdem die Bush-Regierung Schlüsselpositionen in den zuständigen Ministerien mit guten Freunden besetzt hatt, die größtenteils fachfremd waren.
Doch scheint nun auch die eine Maßnahme gründlich schief gegangen zu sein, auf die Präsident Bush und seine Leute im Katastrophendienst FEMA letztlich noch stolz waren: die Soforthilfe für Hurrikan-Opfer, denen man unbürokratisch Kreditkarten über 2000 Dollar austeilte, damit Vertriebene Kleidung, Lebensmittel oder andere Gegenstände des täglichen Bedarfs kaufen konnten.
Dass diese Maßnahme Betrug möglich machen würde, war von Anfang an klar. Doch wie groß das Ausmaß sein würde, überrascht am Mittwoch auch die Experten. Bis zu 1,4 Milliarden Dollar sollen veruntreut worden sein, das meiste davon in kleinen Beträgen von einzelnen Opfern. Da wurde ein Scheidungsanwalt über die Notkarte bezahlt, manche kauften Schmuck, eine Familie buchte Urlaub in der Dominikanischen Republik. Dass große Beträge für Porno-Artikel ausgegeben wurden, dürfte die Konservativen in der Hauptstadt besonders grämen. Auch die 600 Dollar, die ein Katrina-Geplagter im Strip-Club ausgegeben hat, waren ursprünglich für andere Aufwendungen vorgesehen.
Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit den Kreditkarten als Soforthilfe, war, das Opfer mit betrügerischen Aussichten recht leicht falsche Sozialversicherungsnummern vorschieben und mehrere Karten ergattern konnten. Geprüft wurden die Anträge nur flüchtig.
Ganze 750 Kreditkarten sind unterdessen komplett verloren gegangen. J.P. Morgan als betreuende Bank kann deren Verbleib bis heute nicht nachvollziehen, damit sind 1,5 Millionen Dollar verschwunden.
Doch nicht alle Betrügereien liefen über die Kreditkarten, auch andere finanzielle Entschädigungen waren fehlgeleitet. Das ist umso schwerwiegender, weil dies – anders als schwer zu überwachende einzelne Transaktionen – durchaus hätte kontrolliert werden können. So aber konnten Tausende von Betroffenen Hotelkosten abrechnen, obwohl sie von der FEMA bereits kostenlos untergebracht waren, allein tausend Gefängnisinsassen rechneten nicht entstandene Wohnkosten ab.
Andere Hurrikan-Opfer gaben zerstörten Grundbesitz an, den es nicht gab. Ein Mann ließ sich 2360 Dollar auszahlen, obwohl er als Wohnsitz einen fantasievoll einen Friedhof angegeben hatte. Einem eingeschleusten Agenten des Rechnugnshofes gelang es, für ein leerstehendes Baugelände Reparaturen an einem beschädigten Haus geltend zu machen – obwohl lokale Behörden der FEMA angezeigt hatten, dass die Adresse nie bebaut war.
Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc
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