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Alt 26-05-2006, 20:43   #486
Starlight
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Die Folgen von Enron

Vier Jahre dauerte es bis zur Verurteilung der Enron-Bosse. 160 Tage wurde verhandelt, drei Tage lang plädiert, das Strafmaß wird erst im September verkündet werden, fast fünf Jahre nach dem Zusammenbruch des einst größten Energiehändlers der USA. Doch noch länger als der Fall Enron werden dessen Folgen die US-Wirtschaft beschäftigen.

Ob der Konkurs von Enron in einem Wirrwarr von Bilanzbetrug, Verschwörung und Insiderhandel den amerikanischen Aktienmarkt gereinigt und durch die vielen neuen Regulierungen der letzten Jahre verbessert hat, ist allerdings nicht unumstritten. Auf der einen Seite dürften Anleger seit der Krise in 2001 durchaus wieder an Vertrauen in Corporate America und Anlage in Aktien gewonnen haben – wie nicht zuletzt der Handelsverlauf der großen Indizes zeigt.

Mit der Verurteilung von Ken Lay und Jeffrey Skilling, den ehemaligen CEO von Enron, haben die Geschworenen in Houston/Texas klar gemacht, dass die Bosse für Bilanzen einstehen müssen und persönliche Verantwortung für das Schicksal von Unternehmen und Aktien tragen. Sie haben gewissermaßen das unternehmerische Risiko wieder eingeführt, dass zwar seit jeher die teils astronomischen Gehälter für amerikanische CEOs rechtfertigt, dessen grundsätzliche Verpflichtung aber immer mehr in Vergessenheit geraten war.

Verbraucherschützer und Aktionärsgruppen sind zufrieden. „Dass die Geschworenen die vorgeschobene Unwissenheit von Lay und Skilling nicht anerkannt haben, ist ein gutes Zeichen für Anleger“, meint Barbara Roper von der Consumer Federation opf America. Und Barry Barbasch, ehemaliger Investment-Experte der amerikanischen Börsenaufsicht SEC, sieht „Linien gezogen, die Unternehmen künftig nicht überschreiten dürfen.“

Dass diese Linien nicht überschritten werden, sollen künftig auch eine ganze Reihe neuer Gesetze und Leitlinien verhindern, allen voran die Bilanzierungsregeln nach Sarbanes-Oxley. Diese und ähnliche Vorschriften indes sind es, die manche als wirtschaftsschädigend kritisieren. „Wir zahlen heute alle für Enrons Sünden“, klagt zum Beispiel Marc Fleury, Chef der Software-Schmiede JBoss. Der hat sein Unternehmen jüngst an Red Hat verkauft und sich gegen einen Börsengang entscheiden, weil der Aufwand für Bilanzprüfungen inklusive Personalkosten nicht tragbar gewesen wäre.

Mit solchen Sorgen beschäftigt sich George Roche täglich. Der Präsident des Fond-Spezialisten T. Rowe Price sieht Wettbewerbsnachteile für kleine und mittelständische Unternehmen, die seltener an die Börse gehen als wünschendwert wäre. „Vielen sind die Kosten für Sarbanes-Oxley zu hoch“, meint Roche. „Nach der Enron-Krise werden auch die vielen ehrlichen Unternehmen bestraft, die unter der Last verschärfter Regulierungen zusammenbrechen.“

Das sei umso bedenklicher, als es vor allem kleine Firmen auf Wachstumskurs seien, die Jobs kreierten.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
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