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Alt 09-05-2006, 20:49   #476
Starlight
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Autos: Transatlantische Freundschaft

Deutsche, die schon lange in den USA leben, müssen sich alle möglichen Produkte privat importieren lassen. Ob Schokolade oder Taschentücher, deutsche Marken finden sich kaum zwischen New York und Kalifornien. US-Produkte in Deutschland zu integrieren war hingegen stets einfach. Ob dies auch auf Autos zutrift, ist allerdings fraglich.

So geht Chrysler durchaus ein Risiko ein, wenn man in Kürze den Dodge Caliber in Deutschland auf den Markt bringen wird. Der amerikanische Konzern plant, die Marke Dodge in Deutschland zu etablieren und strebt einen Produktstatus an, wie ihn traditionelle US-Marken wie Coca-Cola, McDonald´s und Levi´s haben – oder Harley-Davidson, um dem Automobilsektor einigermaßen nahe zu bleiben.

Ganz leicht dürfte das nicht sein, denn auf dem Automarkt gelten die Amerikaner nun einmal nicht als weltweit führend wie in so vielen anderen Bereichen. Vor allem in Deutschland nicht, wo heimische Autos international erstklassig sind. Dass die US-Konkurrenten seit Jahren in einer Krise stecken und selbst im eigenen Land Marktanteile an Europäer und Asiaten verlieren, macht das Projekt nicht aussichtsreicher.

Chrysler ist trotzdem zuversichtlich, den Dodge Caliber an den Mann zu bringen. Und zwar an den etwa 39-jährigen Mann mit einem Hang zu Late-Night-TV und Importmarken sowie einem verfügbaren Einkommen von 41 700 Euro. Ach ja, ein gutes bis überzogenes Selbstbewusstsein gehört auch dazu, wenngleich die Chrysler-Marktforschung auf diesen Aspekt nicht direkt eingeht. Doch gibt sich der Caliber wuchtiger als alle Konkurrenten seiner Klasse (VW Golf, Audi A3, Ford Focus, Toyota Corolla) und will wahrgenommen werden.

Trotzdem weiß Chrysler, dass es nicht einfach sein wird, einen Wagen zu verkaufen, mit dessen Marke und Logo kaum ein Kunde vertraut ist. Zumal Dodge auf dem US-Markt zu den legendären Marken gehört und der Widder am Kühlergrill (Slogan: „Pack das Leben bei den Hörnern“) so bekannt ist wie der Swoosh von Nike oder der Apfel von Apple. Entsprechend bescheiden sind die Ziele: 20 000 Stück will man vom Caliber zunächst absetzen.

Bei einem ähnlichen transatlantischen Projekt sind 20 000 Stück die Mindesterwartung: General Motors will nämlich den Opel Astra in die Staaten bringen, und dort unter der Saturn-Marke anbieten. Der Astra soll mit den technischen Daten des deutschen Modells und einem Preis von 16 000 Dollar das Modell Ion am unteren Ende der Saturn-Modelle ersetzen.

Hinter dem Astra-Import steckt eine größer angelegte Strategie: GM will Saturn als europäisch angehauchte Marke präsentieren. Und das dürfte leichter sein als andersherum, immerhin schauen immer mehr Amerikaner auf die effizienten Kleinwagen in „old Europe“, mit denen sich vor allem in Zeiten exorbitanter Benzinpreise viel Geld sparen ließe.

Auch spricht eine aktuelle Umfrage dafür, dass GM vielleicht auch die optimistischer geschätzten 40 000 Astra absetzen kann: Um Benzin zu sparen sind Amerikaner nämlich mehr denn je zu Verzicht bereit, wie die Auto-Experten bei Kelley´s Blue Book herausgefunden haben. Erster Faktor, bei dem die Amerikaner zu Einschränkungen bereit sind: die Größe des Fahrzeugs. Für 5 Meilen mehr pro Gallone würde sich die Hälfte der Kunden in einen kleineren Wagen setzen als bisher. 35 Prozent würden auf den gewohnten Markennamen verzichten, 31 Prozent auf ein paar Pferdestärken (Mehrfachnennungen möglich).

Nur 22 Prozent der amerikanischen Autofahrer würden auch bei hohen Benzinpreisen auf nichts verzichten. Damit aber wäre der Markt dennoch groß genug, um zwischen Trucks, SUV und Limousinen mehr Kleinwagen zu platzieren.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc
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