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Alt 09-05-2006, 07:43   #474
Starlight
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Entertainer und Orakel

Hollywood-Stars, Shopping beim Edel-Juwelier, das größte Barbecue Amerikas… die Hauptversammlung von Berkshire Hathaway ist unter Insidern als „Woodstock des Kapitalismus“ bekannt. Jüngst pilgerten 24 000 Anleger auf nach Omaha, Nebraska, um die Holding zu feiern und deren Chef, Investment-Guru Warren Buffett.

Buffett, stets assistiert von seinem Vize Charlie Munger, hat auf der Versammlung zwei Funktionen: Orakel und Entertainer. Er erfüllt beide mit völlig unterschiedlicher Maxime. Als Entertainer gibt er sich kreativ: Dieses Jahr trat Buffett im Berkshire-Film mit den „Desperate Housewives“ auf und schaltete Arnold Schwarzenegger zu, in der Vergangenheit spielte er mit Bill Gates den „Zauberer von Oz“ nach und ließ seinen entfernten Cousin auftreten, den Country-Musiker Jimmy Buffett.

Und obwohl das ganze Theater für Stimmung sorgt, ist es die andere Seite des Berkshire-Chefs, die Fans mehr als 80 000 pro Aktie hinblättern lässt. Als Investor nämlich gelingt es Buffett, seine kreative Ader völlig abzustellen. Hightechs und Gadgets haben den Meister noch nie interessiert, er konzentriert sich auf „low-tech“, auf Basis-Branchen, in denen kein schnelles Geld zu machen ist, die langfristig aber für Wert sorgen.

Iscar heißt der neueste Zuwachs in der Berkshire-Hathaway-Gruppe. Der israelische Metallarbeiter für die Automobil- und Luftfahrtindustrie ist bisher so wenig in Erscheinung getreten, dass Analysten am Wochenende mit dem Namen nichts anfangen konnten. „Was machen die?“, war die meist gestellte Frage in Omaha, das meist gefällte Urteil positiv: Wenn das Unternehmen so obskur ist, dann müsse wohl der Preis gut gewesen sein.

Iscar passt gut in das Portfolio der Investment-Holding. Neben Metall werden da bereits Backsteine, Glaswolle und Beton in verschiedenen Tochter-Unternehmen verarbeitet. Weitere Berkshire-Ableger stellen Möbel und T-Shirts her, verkaufen Zeitungen und Lexika oder servieren HotDogs und Milkshakes.

Dennoch ist die jüngste Übernahme eine kleine Sensation: Nicht weil sie so spektakulär unspektakulär ist, sondern weil Buffett erstmals im Ausland anlegt. Mit großer Sicherheit will Buffett den Iscar-Deal als Wegweiser in das globale Investment interpretiert sehen, zumal ein 4-Milliarden-Dollar-Geschäft alleine angesichts eines zehn mal so hohen Cash-Bergs bei Berkshire Hathaway alles andere als sensationell wäre.

Interessanter könnte da schon eine 15-Milliarden-Dollar-Idee sein, die Buffett am Wochenende ankündigte. Diese werden Anleger nun nicht länger innerhalb der USA suchen, sondern in Europa oder Japan. „Wir würden uns freuen, von interessanten Unternehmen aus Übersee zu hören“, lud Buffett folglich ein. Man würde sich gerne ein paar Firmen näher ansehen, „die unsere Kriterien erfüllen.“

An diesen Kriterien könnten übrigens Firmen aus Großbritannien scheitern. Dort müssen sämtliche Investitionen in ein Unternehmen ab der Übernahme von 3 Prozent der Aktien veröffentlicht werden, was Buffett beunruhigt. „Das passt uns nicht, da es Akquisitionen teurer machen kann“, so die Kritik.

Viel Geld hat der Mann schließlich nicht, weil er es gerne ausgibt.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc
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