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Alt 03-05-2006, 20:41   #472
Starlight
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Der Kampf gegen Fett und Zucker

Amerika mag vom Öl abhängig sein, wie Präsident George W. Bush jüngst angesichts der angespannten Situation auf den Rohstoff-Märkten erklärte. Amerika ist aber noch von viel mehr Stoffen abhängig. Unter anderem von Fett und Zucker, und auch das geht ins Geld. Doch Corporate America ergreift jetzt erste Maßnahmen:

Gleich zwei Meldungen kommen am Mittwoch von PepsiCo, dem am breitest diversifizierten Unternehmen in der Konsumbranche. Zum PepsiCo-Imperium gehört die Snack-Tochter Frito-Lay mit den Kartoffel-Chips der Marken Lay´s, Ruffles und Doritos, den beliebtesten und meist verkauften unter Coach-Potatoes zwischen New York und Kalifornien.

Um denen die Freude am Knabbern zu lassen und dennoch gegen die zunehmende Fettleibigkeit anzukämpfen, soll sich nun bei einigen Produkten das Rezept ändern. Die Lay´s-Chips, die im letzten Jahr mit einem Umsatz von 2,5 Milliarden Dollar immerhin ein Viertel des Frito-Lay-Geschäfts ausgemacht haben, werden ab sofort in Sonnenblumen-Öl fritiert, was den Fett-Anteil um zwei Drittel senken soll.

Während Ernährungs-Experten den Schritt begrüßen – insgesamt zieht PepsiCo geschätzte 30 000 Tonnen Fett aus dem Speiseplan der Nation –, ist das wirtschaftliche Risiko für PepsiCo nicht zu unterschätzen. Kunden mögen es im Allgemeinen nicht, wenn das Rezept eines lange etablierten Standardprodukts verändert wird. Diese Erfahrung musste Konkurrent Coca-Cola machen, als man vor Jahren die Mischung für Coke ändern wollte.

Ein Testlauf in Kanada allerdings stimmt das Management optimistisch: Dort sind die Umsätze der Lay´s-Chips nach Umstellung auf Sonnenblumen-Öl um 10 Prozent gestiegen. Ob das Gesundheitsbewusstsein, das durchaus hinter der gestiegenen Nachfrage stehen dürfte, in den USA schon so hoch ist wie beim Nachbarn im Norden, wird sich nun zeigen.

Eines allerdings steht fest: Ohne das Engagement der Firmen wäre das größte langfristige Gesundheitsproblem der USA nicht in den Griff zu kriegen. Denn der Verbraucher selbst ist kaum bereit, seinen Speiseplan zu ändern. Appelle von Ernährungsberatern, einfach weniger (gesunde oder ungesunde) Chips zu essen, stoßen bei Konsumenten auf taube Ohren. Nicht zuletzt bei den Kids, die den Experten immer mehr Sorgen machen.

Daher greifen PepsiCo und der Konkurrent Coca-Cola gemeinsam mit Cadbury-Schweppes und der American Beverage Organisation nun gemeinsam da durch, wo schon lange um Maßnahmen der Unternehmen gebeten wird: in der Schule. Die größten Getränke-Lieferanten haben sich in einer Initiative unter der Leitung des früheren US-Präsidenten Bill Clinton bereiterklärt, in den nächsten vier Jahren die Automaten an den meisten Schulen Amerikas umzustellen. Bis zu 35 Millionen Schüler sollen dann zumindest auf dem Schulgelände keine Cola und Sprite mehr finden, sondern Wasser und Tee, Saft und Milch.

Das Engagement der Branche kommt nicht ganz freiwillig. Mehrere Schul-Bezirke haben in den letzten Monaten von sich aus die Regeln für Getränke-Lieferanten verschärft und mit dem Ausschluss von Firmen gedroht, die ihre Produktpalette nicht umstellen würden.

Große finanzielle Einbußen sind für die Getränkefirmen nicht zu befürchten. Zum einen stellen sie ja gemeinsam um und haben somit keine Verschiebung von Marktanteilen zu erwarten. Zum anderen haben gesunde Drinks in den vergangenen Jahren ohnehin an Beliebtheit gewonnen. Während im abgelaufenen Jahr zwar Softdrinks wie Coke und Sprite noch immer für 45 Prozent des Umsatzes gesorgt hatten, nahm deren Anteil gegenüber Wasser, Tee und Saft stetig ab.

Welche finanziellen Vorteile die gemeinschaftliche Umstellung bringen wird, lässt sich derweil an den Prozessen gegen die Tabakindustrie erkennen. Während Philip Morris & Co. seit Jahren gegen Milliarden-Klagen kämpfen, haben mehrere Verbraucherschützer bereits ähnliche Schritte gegen die Hersteller von Zucker-Drinks angekündigt, deren Konsum das amerikanische Gesundheitswesen nachweislich Milliarden kostet. Durch die erkennbare Kooperation der Unternehmen mit den Schulen dürfte die Gefahr solcher Klagen gesunken sein.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc
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