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Alt 27-04-2006, 19:05   #5
621Paul
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Air Berlin hebt bald ab
Von Heiko Böhmer

Liebe Leser,

Börsengänge sind derzeit wieder en vogue. Kaum ein Tag vergeht, an dem ich nicht in der Zeitung oder in meinem E-mail Postfach Ankündigungen von Neuemissionen finde. Wie ich schon am Dienstag geschrieben habe: Die Stimmung ist noch gut. Aber das Ganze beginnt zu wackeln. Immerhin kletterte der DAX gestern auf ein neues 5-Jahres-Hoch. Doch heute genügte der schwache Ausblick von DaimlerChrysler um den deutschen Leitindex zur Mittagszeit um mehr als ein Prozent absacken zu lassen. Die Anzeichen mehren sich, dass uns eine Korrektur bevorsteht.

Dennoch scharren viele Privatinvestoren schon wieder mit den Hufen, wenn Sie nur Neuemission lesen. Da lockt die Aussicht auf fette Zeichnungsgewinne. Und bei den in diesem Jahr vollzogenen Börsengängen hätte man schon was verdienen können. So steht die Aktie von Wacker Chemie schon mit 21% im Plus und der Börsengang liegt erst gut zwei Wochen zurück. Bei dieser Emission sprangen die Anleger auf ein Schlüsselwort an. Anno 2000 war das Schlüsselwort Internet. In dieser Saison ist es eindeutig Solar.

Sobald nur irgendwie ein Unternehmen in Verbindung mit dem neuen Mega-Trend gebracht werden kann, stehen die Ampeln auf grün und dann vergessen viele Anleger alle Grundsätze verantwortungsvollen Handelns an der Börse. Die Gier nach schnellen Gewinnen ist zurück.

Doch Vorsicht: Nicht alle neuen Börsenwerte versprechen auch die große Performance. Etliche Kandidaten weisen nach einigen Wochen Verluste von 20% und mehr aus. Bei einigen großen Aspiranten kann man aber sicher sein, dass da auch Substanz vorhanden ist. So wie bei Air Berlin.


Die Aktien werden zwischen 15 und 17,50 Euro kosten
Heute Nachmittag hat die zweitgrößte deutsche Fluglinie die Details zum Börsengang veröffentlicht. Demnach wird die Preisspanne für die Aktie zwischen 15 und 17,50 Euro betragen. Insgesamt werden bis zu 43,33 Mio. Aktien auf den Markt kommen. Dabei stammen bis zu 20 Mio. Aktien aus dem Eigentum der abgebenden Aktionäre und bis zu 23,33 Mio. Aktien aus der vom Board of directors voraussichtlich am 4. Mai zu beschließenden Kapitalerhöhung.

Als Anleger können Sie die Aktie vom 28. April bis zum 4. Mai 2006 zeichnen. Dabei endet der Angebotszeitraum am 4. Mai um 12:00 Uhr für Privatanleger und um gleichen Tag um 17:00 Uhr für institutionelle Anleger. Danach wird noch der endgültige Zuteilungspreis für die Aktie festgelegt und am 5. Mai soll dann voraussichtlich die Handelsaufnahme erfolgen.

Nun sind aber im Vorfeld auch Details über die Finanzstruktur von Air Berlin an die Öffentlichkeit gelangt für die es wenig Lob gab. Im abgelaufenen Geschäftsjahr verbuchte die Billigfluglinie einen Verlust von 116 Mio. Euro. Ausgelöst wurde die finanzielle Schieflage vor allem durch die hohen Treibstoffkosten. Zusätzlich drückten noch Sonderbelastungen bei den Steuern und Dollar-Schulden auf die Bilanz. 2004 gab es im Übrigen auch einen kleinen Verlust. Den Gewinn in 2003 will ich an dieser Stelle auch nicht verschweigen, allerdings resultierte der Überschuss vornehmlich aus hohen Währungsgewinnen.

Mit den Mitteln aus dem Börsengang und einem strikten Sparprogramm soll es besser werden. Schon möglich: So schätzt die Commerzbank den möglichen Gewinn 2006 auf 51 Mio. Euro. Im kommenden Jahr sollen es dann schon 86 Mio. Euro sein.

Durch den Börsengang werden Air Berlin aus der Kapitalerhöhung Mittel in Höhe von rund 350 Mio. Euro zufließen. Schon jetzt ist klar, dass die Hälfte für den Kauf neuer Airbus-Flugzeuge eingesetzt werden soll. Weitere 40% dienen dem Ausbau des Streckennetzes. Mit den restlichen 10% will die Fluglinie Schulden tilgen.

Eine interessante Information am Rande ist übrigens die Rechtsform von Air Berlin. Die Fluglinie firmiert als Aktiengesellschaft nach britischem Recht. Das bringt Unternehmens-Chef Joachim Hunold die Möglichkeit, auch künftig den Einfluss der Gewerkschaften gering zu halten. Denn bei solchen Unternehmen gibt es keinen mitbestimmten Aufsichtsrat. Für die Anleger und Analysten bietet die Rechtsform aber auch einen Vorteil, denn so wird der Vergleich mit den ebenfalls britischen Konkurrenten Easyjet und Ryanair einfacher.


Wohin geht nun die Reise bei Air Berlin?
Nach einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung McKinsey befinden sich die Billigflieger vor einem Wendepunkt. Die noch stark segmentierte Branche wird sich in Zukunft bereinigen und nur einige Anbieter werden übrig bleiben. Zum einen gibt es einen internen Wettbewerb der Low-Cost-Carrier, wie die Billigflieger auch genannt werden, untereinander. Zum anderen haben sich mittlerweile auch die etablierten Fluglinien besser auf die neue Konkurrenz eingestellt. So bietet die Lufthansa in diesem Frühjahr sogar Flüge in europäische Städte schon ab 99 Euro. Mit diesem Preis ist die Lufthansa auf jeden Fall konkurrenzfähig.

Diese eher mageren Aussichten für Fluglinien lässt sich auch an den Kursen ablesen: Sowohl Easyjet als auch Ryanair haben seit Anfang 2003 kaum an Wert gewonnen. Das Boomjahr war ohne Zweifel 2004, als beide Aktien kräftig zulegten.

Nun ist Air Berlin auch kein reiner Billigflieger, denn vor allem das Serviceangebot hebt sich doch deutlich ab: neben Bordverpflegung gibt es sogar ein Vielfliegerprogramm und ein spezielles Programm für Geschäftsreisende.

Mein Fazit: Auf Grund des großen öffentlichen Interesses, auch durch die massive Werbekampagne, rechne ich damit, dass die Aktie am oberen Ende der Handelspanne zugeteilt wird. Sollten alle Aktien aus der Emission zu 17,50 Euro zugeteilt werden, ergäbe sich daraus ein Marktwert von rund 750 Mio. Euro. Damit wäre Air Berlin im Konzert der europäischen Fluglinien nur ein kleiner Mitspieler: Konkurrent Easyjet bringt es auf 1,85 Mrd. Euro und Ryanair ist derzeit an der Börse sogar 5,3 Mrd. Euro wert.

Auf Grund der aktuellen Gewinnschätzung von 50 Mio. Euro ergäbe sich zudem ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 15, was durchaus auch andere Fluglinien aufweisen. Auf dieser Basis kann ich Ihnen die Aktie zur Zeichnung empfehlen. Doch die wahrscheinlich anfallenden Zeichnungsgewinne sollten Sie gleich mitnehmen.

Übrigens: Wie ich heute erst erfahren habe, waren meine Kollegen vom Small Cap Investor gestern auf einer Analystenkonferenz, wo sich auch einige Börsenneulinge, die schon einige Monate notiert sind, präsentiert haben. Für die kommende Ausgabe haben Sie ein Unternehmen auf dem Radar, das bislang von den Anlegern noch nicht entdeckt wurde. Mehr zu der noch völlig unbekannten Börsenperle lesen Sie in der nächsten Ausgabe des „Small Cap Investors“.

Bis morgen
Heiko Böhmer
Chefredakteur „Privatfinanz-Letter“
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Wenn viele Anleger dasselbe glauben, dann muss dies noch lange nicht bedeuten, dass es stimmt oder wahrscheinlich ist. Das Gegenteil ist oft der Fall.
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