Warme Worte aus China
Selten hat ein Staatsbesuch die Wall Street so interessiert wie in dieser Woche: Chinas Präsident Hu Jintao ist zwischen Seattle und Washington unterwegs. Gesprächsstoff gibt es genug, doch versprechen sich Experten nur wenig handfeste Lösungen zu den zahlreichen Problemen in der Partnerschaft der beiden Staaten.
Viele sehen den Besuch von Hu mehr als eine freundliche Geste und nicht so sehr als den Beginn einer Trendwende. So dürfte auch Bill Gates empfinden, nachdem er den Gast aus China am Dienstagabend in Seattle empfangen, durch die Zukunfts-Ausstellung auf dem Firmengelände von Microsoft und anschließend zum Dinner zuhause geladen hatte.
Microsoft gehört zu den großen Leidtragenden der konplexen Beziehungen zwischen den USA und China – das Land der aufgehenden Sonne ist nämlich auch das Land des intelektuellen Diebstahls. Nirgendwo sonst werden so viele Waren gefälscht, darunter neben Uhren und Designertaschen immer mehr CDs, DVDs und natürlich auch Software. Erst im letzten Jahre gelang es Reportern von CNN, mitten im Regierungsviertel von Peking das gesamte Windows-Paket und sämtliche einigermaßen wichtigen Software-Pakete für ein paar Dollar auf dem Schwarzmarkt zu kaufen.
Hu versprach nun Gates und dem Rest Amerikas, mit seiner Regierung kümftig schärfer gegen Fälscher im eigenen Land vorgehen zu wollen. Doch der Microsoft-Chef wird wissen, dass auf dieses Versprechen nicht allzu viel folgen wird. Immerhin ist das Problem nicht neu, China tut seit Jahren nichts und dürfte den Produktpiraten auch künftig nicht verstärkt das Handwerk legen wollen. Immerhin würde ein solcher Schritt einen gut laufenden Zweig der eigenen Wirtschaft lahmlegen.
Umso netter eine Geste des Präsidenten: Hu hatte sein Scheckbuch mit nach Seattle gebracht und kaufte lizensierte Windows-Software für mehrere hundert Millionen Dollar. Sein Vize-Premier Wu Yi hatte bereits vor einer Woche 80 Boeing-Flugzeuge gekauft und weitere Verträge mit US-Lieferanten für insgesamt 16 Milliarden Dollar abgeschlossen, was einige China-Kritiker zumindest für kurze Zeit versöhnlich stimmen dürfte.
Binnen weniger Monate dürften amerikanische Politiker aber weitere Schritte fordern. Immerhin ist intelektueller Diebstahl nicht das einzige Problem im Wettbewerb der beiden Staaten. Größtes Problem für Washington, wo Hu heute mit seinem Amtskollegen Bush zusammentrifft, ist die Kopplung des Yuan an den Dollar. Die wurde zwar vor etwa einem Jahr etwas gelockert. Doch halten Konjunkturexperten die chinesische Währung noch immer für 40 Prozent unterbewertet. Dieser Umstand benachteiligt US-Unternehmen im Wettbewerb mit der chinesischen Konkurrenz und ist mit Schuld an einem wachsenden Handelsbilanzdefizit, das für das vergangene Jahr mit 202 Milliarden Dollar gemessen wurde.
Vor Beginn der Gespräche zwischen Hu und Bush erwarten Experten wiederum eine Annäherung, freundliche Zugeständnisse des Gastes an den Gastgeber im Weißen Haus. Mehr aber nicht. Mit Blick auf das eigene Wirtschaftswachstum und die Stabilität im Land könne China schließlich nicht mehr tun, als den Yuan langsam und vorsichtig aufzuwerten. Und damit wird man den Forderungen einiger Senatoren nicht gerecht.
Der New Yorker Demokrat Chuck Schumer und sein republikanischer Kollege Lindsey Graham aus South Carolina haben bereits angekündigt, einen zur Zeit ad acta gelegten Gesetzentwurf spätestens im September wieder vorzubringen. Danach sollen chinesische Importe mit einem Strafzoll von satten 27,5 Prozent belegt werden, bis der Yuan gemessen am Dollar angemessen bewertet ist. Nach einem China-Besuch in der vergangenen Woche und dem Einkaufsbummel von Vize-Premier Wu haben die Senatoren ihr Projekt aufgeschoben – auf keinen Fall aber aufgehoben.
Präsident Hu weiß von dem Gesetzentwurf und dürfte sich entsprechend bemühen, in Washington durch nette Gesten aufzufallen. Wie weit er freundlichen Worten Taten folgen lässt wird die geschäftlichen Beziehungen zwischen USA und China mittelfristig prägen.
Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc
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