Sorgen um stürmischen Sommer
April, April, der macht was er will… in Amerika ist das nicht anders als in Deutschland, wo die Bauernregel in aller Munde ist. Auch die Wall Street schaut dieser Tage wieder verstärkt auf´s Wetter, wenngleich nicht auf das von heute oder morgen. Man interessiert sich für die langfristigen Vorhersagen – und macht sich Sorgen.
Die Meteorologen sind sich weitgehend einig, dass der schrecklichen Hurrikan-Saison 2005 eine noch schlimmere folgen dürfte. Das heißt: Amerika muss sich wohl auf weitere Stürme der Kategorie „Katrina“ und „Rita“ gefasst machen. Denn Wetter-Gau sehen einige Experten mit einem Anstieg der Hurrikans um 30 bis 40 Prozent, die betroffenen Gegenden sind die selben wie immer: Der Nordosten entlang der Atlantikküste und natürlich der Süden von Florida entlang dem Golf von Mexiko über Louisiana bis nach Texas.
Vor allem an der Golf-Küste ist man zurecht besorgt: Die Dämme, die den Hurrikans des letzten Sommers zum Opfer gefallen sind, sind nicht ausreichend repariert und verstärkt schon gar nicht. Der Wiederaufbau in Regionen wie Biloxi und New Orleans läuft gerade erst, ein großer Teil der von „Katrina“ vertriebenen Einwohner ist nie zurückgekehrt. In einem solchen Umfeld können weitere Stürme der Region den Todesstoß geben. Die wirtschaftlichen Folgen wären dramatisch, vor allem auf dem Energiesektor.
An der Golfküste läuft der größte Teil der amerikanischen Öl-Produktion. Dass Hunderte von Bohrinseln und fast alle Raffinerien im letzten Herbst über Wochen und Monate sturmgeschädigt brach lagen, trieb die Öl- und Benzinpreise nachhaltig in die Höhe. Dass der Ölpreis, nicht zuletzt vor dem Hintergrund geopolitischer Krisen, zur Zeit nahe der historischen Höchststände handelt und Benzin trotz einer Kapazitätsauslastung von 86 Prozent in den Raffinerien einen saisonal ungewöhnlich hohen Tankstellen-Preis von 2,67 Dollar pro Gallone erreicht, lässt erahnen, wohin die Rallye in diesem Sommer noch gehen könnte.
Dabei sind die Sorgen um das Sommerwetter nicht die einzigen, mit denen sich Analysten abmühen. Auch die Umstellung in vielen Raffinerien, die statt dem bisher verwendeten Additiv MTBE auf das sauberere Ethanol wechseln, dürfte zu Produktionsengpässen führen. Die könnten umso schwerwiegender ausfallen je weiter die Raffinerien von den Mais-Feldern entfernt sind – die Infrastruktur zwischen Feld und Ethanol-Verarbeitung muss sich erst noch bewähren.
Analysten sind sicher, dass die Amerikaner während der Hauptreisezeit im Sommer für mehr als 3 Dollar pro Gallone tanken und damit in diesem Jahr erneut mehr als doppelt so viel zahlen wie noch vor zwei Jahren üblich gewesen war.
Diese hohen Preise dürften den Tourismus direkt betreffen, da viele Urlauber ihre Reisen stornieren oder kürzer halten könnten. Die Fluggesellschaften, eben erst zumindest teilweise aus der tiefsten Krise erstiegen, dürften erneut in massive Schwierigkeiten kommen. Und darüber hinaus wäre, wie immer, der Verbraucher auf breiter Front betroffen. Dessen Sparrate notiert ohnehin unter Null, umso eher werden steigende Ausgaben für Benzin direkt mit weniger Ausgaben für andere Dinge ausgeglichen.
Amerika droht erneut ein stürmischer Sommer – meteorologisch und wirtschaftlich gesehen.
Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc
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