Der Wolf im Schafspelz
Vier Jahre lang war Wal-Mart der größte Konzern der USA, doch in der aktuellen Fortune-500-Liste hat ExxonMobil den Spitzenplatz zurück erobert. Teure Ölpreise haben ExxonMobil geholfen und Wal-Mart geschadet, doch litt der Einzelhändler zunehmend auch unter seinem schlechten Image. Das soll sich jetzt ändern.
Wal-Mart will zurück an die Spitze der amerikanischen Top-500. Wenn in knapp einem Jahr die Liste der größten US-Unternehmen für 2007 vorgelegt werden wird, dann will der Einzelhändler aus Arkansas wieder ganz oben stehen. Leicht wird der Weg an die Spitze nicht werden. ExxonMobil profitiert von hohen Ölpreisen so sehr wie Wal-Mart darunter leidet, denn der Verbraucher steckt immer mehr Geld in seinen Tank und immer weniger in die Kasse im Supermarkt.
Daran kann Wal-Mart nichts ändern, doch gibt es einen zweiten großen Faktor, der das Unternehmen Millionen gekostet hat: Wal-Mart ist so unbeliebt wie kein anderer in der Branche. Während Target durch einen gewissen Schick und gute Marken von sich reden macht und J.C. Penney mit frischen, aufgeweckten Werbespots, kommt Wal-Mart immer wieder im Zusammenhang mit Hungerlöhnen, Diskriminierung am Arbeitsplatz, mangelndem Versicherungsschutz für Mitarbeiter und Zensur in der Musik- und Magazinabteilung in die Schlagzeilen.
In einer aktuellen Umfrage haben zwischen 2 und 8 Prozent der Befragten erklärt, früher oft bei Wal-Mart eingekauft zu haben und mittlerweile aufgrund schlechter Nachrichten über den Konzern einen großen Bogen um die Supercenter zu machen.
Das kostet Wal-Mart eine Stange Geld, und deshalb steht jetzt ein Image-Wandel bevor. Der Wolf zieht sich einen Schafspelz über und versucht mit allen Mitteln, nicht mehr als Rowdy aufzutreten, sondern als freundlicher Nachbar. Diese Maßnahmen sind wohlgemerkt nicht nur an den Kunden gerichtet, sondern vor allem an Städte und Dörfe in den ganzen USA, in denen Wal-Mart weitere Läden eröffnen will aber bisher auf Protest gestoßen ist.
Der Protest in Städten wie Chicago und Los Angeles richtete sich vor allem gegen Wal-Mart als schlechten Einfluss auf das lokale Geschäftsumfeld und die regionale Konjunktur. Längst ist bekannt was passiert, wenn Wal-Mart in eine neue Gegend zieht: Der Branchenprimus macht mit Niedrigpreisen die Konkurrenz platt und vernichtet mehr Arbeitsplätze als er schafft.
Da Wal-Mart massiven Druck auf Zulieferer ausübt, die Preise zu senken, sinkt das Lohnniveau in Wal-Mart-Kommunen um 2,5 bis 4,8 Prozent, wie eine Studie von unabhängigen Volkswirten ergeben hat. Ein solches Image zu reparieren ist nicht einfach, doch Wal-Mart ist kreativ. Abgesehen davon, dass man sich durch eine geschickte Auswahl von Lokalotäten bei den Gemeinden anbiedern will – das Unternehmen kann sich Supercenter in verkommenen Stadtvierteln mit hoher Arbeitslosigkeit ebenso vorstellen wie Filialen auf biologisch oder chemisch verunreinigten Grundstücken –, addressiert man auch lokal-konjunkturelle Probleme direkt.
Wal-Mart bietet in einem neuen Konzept an, lokale Geschäfte – sogar direkte Konkurrenten – zu unterstützen. Man wolle den Kollegen Zuschüsse und Darlehen zahlen, heißt es, zudem biete man Seminare an, in denen Ladenbesitzer lernen könnten, wie man sich im Schatten eines Branchenriesen wie Wal-Mart am besten schlage.
Um Unterstützung nicht nur von lokalen Geschäften, sondern auf breiter Basis zu sichern, will Wal-Mart 500 000 Dollar an lokale Handelskammern überweisen, die mit dem Geld ihre Mitgliedsunternehmen beim Aufbau von Webseiten und ähnlichen Projekten unterstützen sollen.
Die Anti-Wal-Mart-Lonbby ist von den Vorschlägen aus der Zentrale nicht begeistert. „Wal-Mart schafft genau die Probleme, die es jetzt lösen will“, schimpft Chris Kofinis von der gewerkschaftsgestützten Bürgerbewegung „Wake-Up Wal-Mart“. Die Image-Aktion sei „ein weiterer Werbe-Gag in einer langen Reihe von Werbe-Gags“. Das ist schwer von der Hand zu weisen. Und ob sich die lokalen Unternehmen von Wal-Mart einlullen lassen und in ihrer größten Bedrohung doch plötzlich auch ein wenig Hilfe sehen, ist zu bezweifeln – ebenso, dass Wal-Mart allzubald den Öl-Multi von der Spitze der Fortune-500-Liste ablösen wird.
Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc
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