Mohammed-Cartoon beschäftigt die Wall Street
Der Ärger um Karikaturen einer dänischen Zeitung, die den Propheten Mohammed zeigen, erreicht zum Wochenschluss die Wall Street. Während sich Amerika ohnehin gerne über religiöse Darstellungen mokiert und selten Spaß versteht, geht es diesmal weniger um moralische Bedenken als vielmehr um wirtschaftliche Interessen.
Die amerikanische Börse rechnet mit dem Schlimmsten: einem Boykott. Dass Kunden in vielen islamischen Ländern dänische Waren boykottieren, hat bereits Folgen gehabt. Der Lebensmittelkonzern Aria Foods hat erste Entlassungen angekündigt. Experten rechnen damit, dass der Zorn religiöser Fundamentalisten schnell auf Waren aus anderen europäischen, und später vielleicht allgemein aus westlichen Staaten ausgedehnt werden kann.
Besonders sorgt man sich um die klassisch amerikanischen Marken, die in der Vergangenenheit schon mehrfach unter Antipathien gegen den Westen allgemein oder Amerika im speziellen gelitten haben, darunter natürlich Coca-Cola und McDonald´s.
Für die Aktien hat die erste Sorge allerdings noch keine direkten Folgen, schließlich gibt es noch keine präzisen Boykott-Aufrufe. Jane Arraf, Vorsitzende des amerikanischen Concil for Foreign Relations, rechnet damit auch nicht, zumal die Cartoons in Amerika bisher nicht im großen Stil verbreitet worden sind – von Missgeschicken einmal abgesehen. Keine Minute nachdem eine Moderatorin beim Börsensender CNBC erklärt hatte, dass man die umstrittenen Zeichnungen nicht zeigen werde, tauchte die Zeichnung von Mohammed mit dem Bomben-Turban ausgerechnet in einem Hintergrundbericht auf, in diesem Fall in den Händen eines wütenden islamischen Demonstranten.
Die Sorge um einen Warenboykott ist auf dem Parkett nicht ganz unberechtigt. Immerhin ist man entsprechende Schritte aus dem eigenen Land zur genüge gewöhnt. Immer wieder rufen Aktivistengruppen zu ähnlichen Maßnahmen auf. Eine Gruppe konservativer Christen hat erst am Freitagmorgen dazu aufgerufen, den Sender NBC zu boykottieren, weil in einer nur sehr vage bekannten, weil noch nicht gesendeten, Folge der Schwulen-Comedy „Will & Grace“ ein Verweis auf die Kreuzigung Jesu zu sehen sein soll, denn man als Affront betrachtet.
Am Donnerstag sorgte derweil die Washington Post mit einer Karikatur für Aufruhr. Ein Arzt mit Namesschild „Dr. Rumsfeld“ stuft einen arm- und bein-amputierten Soldaten als „kampf-erprobt“ ein, womit sich der Zeichner über den Verteidigungsminister lustig macht, der nach jüngsten Äußerungen die Stärke der US-Armee beschönigt. Rumsfeld macht sich trotz zahlreicher Gegenstimmen von Expertenseite keine Sorgen um die imm er schwächer bestückte Truppe, die nicht etwa überlastet, sondern eben kampf-erbrobt und gestählt sei. Leser aus dem konservativen Lager erkannten die Kritik an Rumsfeld nicht und sahen in dem Cartoon einen Angriff auf die tapferen US-Soldaten – die Washington Post wird seither beschimpft und als „Washington Kom-Post“ verhöhnt. Bis zu einem Boykott dürfte nicht viel fehlen.
Amerika hat aus eigener Erfahrung gelernt, dass Menschen heutzutage nicht mehr soviel einzustecken bereit sind, wie früher. Opposition mündet schnell in Klagen und Boykotte und kann teuer werden – je konservativer das Land, desto eher. Umso besorgter blickt man nun auf die Krawalle in islamischen Staaten, wo schon dänische Flaggen brennen.
Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc
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