Es gibt keinen Realismus an den Börsen
12:09 30.01.06
Sind es Realisten oder Optimisten, die jetzt die Aktien kaufen? Und beim Gold? Sind es Goldoptimisten, die kaufen? Oder Systempessimisten? Es ist gar kein Pessimismus, der die Leute jetzt ins Gold treibt, schreiben mir viele Leser. Wer jetzt Gold kauft, ist vielmehr ein Realist. Ich komme dann stets mit der Gegenthese: Es gibt an den Märkten sowieso keinen Realismus. Es ist völlig unmöglich, an den Märkten Realist zu sein. Man kann immer nur Optimist oder Pessimist sein. Aber niemals Realist.
Jeder Realismus kann sich stets nur auf die Gegenwart beziehen. Ein Realist kann man nur dann sein, wenn man glaubt, dass eine Aussage korrekt wiedergibt, was gegenwärtig der Fall ist. Da es an den Märkten jedoch ausschließlich um die Diskontierung der Zukunft geht, versagt das Realitätskriterium hier schon definitionsgemäß.
Außerdem könnten Märkte niemals funktionieren, wenn es hier einen Realismus gäbe. Denn Marktpreise kommen stets nur dann zustande, wenn es zwei Marktseiten gibt. Doch wenn es prinzipiell möglich wäre, zu wissen, was gegenwärtig und zukünftig der Fall ist, wer sollte dann noch die Gegenposition dazu bekleiden. Dann müsste man behaupten, dass bei jedem Handel stets ein Kluger und ein Dummer aufeinandertreffen.
Ich halte das für problematisch und sehe daher den Realismus an den Märkten als eine Unmöglichkeit an. Man kann immer nur optimistisch oder pessimistisch sein. Man kann zuversichtlich oder skeptisch eingestellt sein, aber niemals Realist sein. Natürlich ist das ein Schock für viele, wenn sie plötzlich erfahren, dass sie das, was sie immer zu sein glaubten, gar nicht sind. Aber ist es nicht ebenso ein Schock, dass das Prosa ist, was Sie hier lesen?
Mit den besten Grüßen!
Bernd Niquet
berndniquet@t-online.de