Ausblick auf 2006
von Dr. Bernd Niquet
Ich wuensche Ihnen ein gutes und erfolgreiches Jahr 2006,
liebe Leser. Hinter uns liegt ein fulminantes Finanzjahr
2005. Ich weiss natuerlich ebenso wie alle anderen nicht, was
uns das Neue Jahr bringen wird. Doch mir scheint sicher, dass
das, was im letzten Jahr abgelaufen ist, keine Wiederholung
finden wird. In den beinahe dreissig Jahren, die ich jetzt
mit der Boerse zu tun habe, habe ich so etwas noch nicht
erlebt. Natuerlich gab es schon oft spektakulaerere Anstiege
der Aktien, enormere Haussen der Edelmetalle und riesige
Waehrungsgewinne zu verzeichnen. Doch dass in einem Jahr
ALLES gestiegen ist, so etwas habe ich noch niemals erlebt.
Denn es ist wirklich alles gestiegen, die Aktien, die Bonds,
die Rohstoffe und Edelmetalle, und sogar die Fremdwaehrungen
haben deutlich zugelegt.
Mit meinem eigenen Portfolio habe ich - nach Steuern - insge-
samt 19 Prozent zugelegt. Meine Struktur sah per Jahres-
schluss folgendermassen aus: 43 % Aktien (28% Blue Chips
Europa, 7% Fernost, 8% Rohstoffaktien), 11 % Bonds, 8 % Roh-
stoffe direkt und 38 % Cash.
Die Gewinne stellen sich in etwa so dar: Aktien insgesamt +
31% (Blue Chips +25%, Fernost +30%, Rohstoffaktien +48%),
Bonds + 11%, Rohstoffe + 9%, Cash + 2% und realisierte Ge-
winne 3%.
So sieht eine vorsichtige Anlagestrategie aus. Ich bin mit
dem Ergebnis sehr zufrieden. Dass andere Anleger weit mehr
gemacht haben, tangiert mich ueberhaupt nicht. Denn ich
weiss: Selbst wenn es voellig anders gekommen waere, haette
ich dennoch einigermassen passabel ausgesehen. Doch diejeni-
gen, die sehr stark ins Risiko gegangen sind, waeren dann
Pleite gegangen.
Und was wird nun 2006? Ich denke, zuerst einmal werden die
derzeitigen Trends weiterlaufen. Vielleicht werden die Boer-
sen noch weiter steigen als wir uns alle ertraeumen. Doch
spaetestens dann werde ich bei den Aktien etwas kuerzer tre-
ten. Skeptisch bin ich auch beim Dollar und habe meine Dol-
lar-Bonds glattgestellt. Ueberhaupt scheint mir in dieser
Hinsicht ein Tagesgeldkonto in Euro besser als alle Bonds.
Fuer den geringen Renditeaufschlag lohnt es sich nicht, das
Bondrisiko und das eventuell hinzukommende Waehrungsrisiko in
Kauf zu nehmen.
Sie werden mich jetzt nach meinen letzten Kolumnen fuer ver-
rueckt halten, aber ich kann mir gut vorstellen, dass das
Gold moeglicherweise am besten laeuft im kommenden Jahr. Man
muss hier jedoch klipp und klar zwei Dinge unterscheiden:
Wer glaubt, dass ein Systemcrash bevorsteht und dass Gold da-
fuer eine gute Versicherung ist, befindet sich aus meiner
Sicht in einem gigantischen Irrtum. Ich sehe die Goldhausse
vielmehr als eine ganz normale Manie gelangweilter Finanz-
leute. Sie ist zu hundert Prozent vergleichbar mit der Inter-
net-Hausse vor der Jahrtausendwende. Sie beginnt voellig
identisch. Und sie wird auch identisch aufhoeren. Irgendwann
wird der Rausch ploetzlich enden - und dann geht es rueck-
waerts. Rette sich, wer kann!
Bis dahin kann man gerne versuchen, mitzuspielen. Doch nie-
mand sollte sich einbilden, hier eine Wertaufbewahrung fuer
die Ewigkeit gefunden zu haben. Denken Sie immer daran:
Aktien legen deshalb an Wert zu, weil Unternehmen im Zeit-
ablauf stets mehr verdienen. Selbst wenn die Unternehmens-
gewinne nur mit dem BSP mitlaufen, erlangt man hier eine gute
Vermoegenssicherung.
Gold hingegen steigt nur dann, wenn immer mehr und neue Kaeu-
fer generiert werden. Aktienkurse sind wirtschaftlich fun-
diert, auch wenn sie im Zeitablauf extrem schwanken. Gold-
kurse hingegen besitzen kein wirtschaftliches Fundament. Sie
sind ausschliesslich Resultat von Schneeballeffekten. Und der
naechste Sommer wird kommen. Egal wann, aber er wird kommen.
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Bernd Niquet ist Boersenkolumnist und Buchautor.
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Wenn viele Anleger dasselbe glauben, dann muss dies noch lange nicht bedeuten, dass es stimmt oder wahrscheinlich ist. Das Gegenteil ist oft der Fall.
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