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Alt 03-01-2006, 20:40   #391
Starlight
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Börsen-Raketen zu Neujahr

Traurig aber wahr: Der Handel am ersten Tag des neuen Jahres könnte den Jahresverlauf in der Tat vorwegnehmen. Die Wall Street ist voller Optimismus und Feuereifer gestartet, wurde aber schon am Vormittag von der düsteren Realität eingeholt. Gleiches könnte den amerikanischen Börsen in den nächsten Monaten in großem Stil drohen.

Wir fassen zusammen, was sich an diesem ersten Handelstag in 2006 bereits ereignet hat. Vor der Glocke hatten die Futures weit ins Grüne gezeigt und dem Dow ein Plus von mehr als 50 Punkten prophezeiht. Dazu kam es schon nicht, doch ging es für die Blue Chips dank einer Aufstufung für Johnson & Johnson immerhin nach oben.

Ein rosarotes Kursziel von 600 Dollar für Google machte Anleger ebenfalls glücklich. Fast könnte man meinen, die Neujahrsvorsätze der Analysten rankten sich allein darum, Optimismus in den Markt zu pumpen und Kurse steigten zu lassen.

Doch Optimismus allein reicht nicht aus. Schon früh verhagelten die Diskussionen um die Zukunft von General Motors die Stimmung, dann berichtete Wal-Mart über schwache Dezember-Umsätze und ein unerwartet schwacher ISM-Index drückte den Markt endgültig ins Minus. Dass das Produzierende Gewerbe nach drei starken Monaten plötzlich unter den Erwartungen zurückbleiben würde, hatten die Optimisten nicht erwartet.

Doch dürfte auf Jahressicht so manches passieren, was die dauer-bullischen Experten bisher nicht erkennen wollen. Da wären weiter steigende Zinsen – vor allem Hypotheken-Zinsen –, aber auch sinkende Hauspreise und weniger frivol vegebene Kredite. Diese drei Faktoren dürften den Verbraucher einknicken lassen. Denn der hat im gesamten letzten Jahr erneut weit mehr ausgegeben als verdient, was allein wegen der genannten Rahmenbedingungen möglich war.

Wenn damit aber Schluss ist und der Verbraucher schwächelt, dann dürfte es die Börse in 2006 wirklich schwer haben. Denn Corporate America, von vielen schon zu Jahresnebginn als der neue Messias verehrt, wird nicht viel ausgleichen können. Immerhin haben Verbraucher und Immobilienmarkt im vergangenen Jahr 75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestemmt – die Unternehmen kamen nur auf magere 11 Prozent.

Außerdem dürften die Unternehmen auf absehbare Zeit kaum mit Geld um sich werden. Der Volkswirtschaftsexperte Irwin Kellner von der New Yorker Hofstra-Universität rechnet damit, dass Corporate America vor allem in Technologie investieren wird. Das dürfte einerseits nicht etwa neue Jobs schaffen, sondern eher welche kosten, und nutzt andererseits auch dem BIP nichts – denn Hightech kommt größtenteils aus dem Ausland.

Wenn aber ein anhaltend schwacher Arbeitsmarkt, ein unter der Schuldenlast einbrechender Verbraucher und ein nachlassender Immobilienmarkt das neue Jahr beherrschen, dann ist jetzt schon klar, dass die frühen Gewinne am ersten Handelstag nicht mehr sind als verspätete Silvester-Raketen: Sie steigend zischend in die Höhe, ziehen einen spektakulären, bunten Schweif – und stürzen dann kalt und erloschen in die Nacht.

Na dann: Prost Neujahr!

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc
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