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Alt 08-12-2005, 20:23   #378
Starlight
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Welcome to… the new Slogan

Corporate America grübelt über ein Paradoxon: Coca-Cola schmeckt prickelnd wie immer, doch ist die Aktie schal. In den letzten fünf Jahren hat der Dow-Jones-Wert gute 30 Prozent eingebüßt, Konkurrent PepsiCo hat etwa 30 Prozent gewonnen. Coke’s Marktführerschaft steht auf dem Spiel. Nun soll ein neuer Slogan helfen.

In den neuen Werbespots von Coca-Cola tritt die braune Brause nun nicht mehr einfach als „Real“ auf, sondern grüßt „Welcome to the Coke Side of Life!“ Ob man so freundlich winkend neue Trinker anlocken kann, ist natürlich fraglich. Morgan Stanley ist einen Tag nach der Vorstellung des neuen Marketing-Konzeptes jedenfalls skeptisch. Zu recht, denn weder Coca-Cola noch zahlreiche andere Firmen hatten zuletzt viel Glück mit ihren Sprüchen.

Dass McDonald’s seinen 1,5 Milliarden Dollar schweren Werbe-Etat seit zweieinhalb Jahren in ein Konzept hinter dem international übersetzten Slogan „I’m lovin’ it“ – in Deutschland: „Ich liebe es.“ – steckt, hat dem Fastfood-Riesen zwar eine globale Identität gegeben, doch kommt der Spruch unterschiedlich gut an. In den Blogs geben einige Burger-Fans vorsichtigen Zuspruch, die Lästermäuler zerreißen sich das Maul über den grammatikalisch zwar richtigen, aber sprachlich nicht unumstrittenen Einfall der deutschen Agentur Heye & Partners.

Viel mehr dürfte man sich indes bei McDonald’s darüber ärgern, dass der Spruch – gut oder schlecht – überhaupt nur einer Minderheit der Bevölkerung bekannt ist. Im Rahmen einer Umfrage von 2004 konnten nur 33 Prozent der Befragten das Motto zuordnen. Damit lag man weit hinter den Slogans zweier Versicherungen, deren jahrzehntelanges Festhalten an ein und demselben Spruch sich mit Erkennungsraten von bis zu 87 Prozent auszahlte.

Allerdings war McDonald’s immer noch besser als Coca-Cola. Nur 5 Prozent konnten das Wörtchen „Real“ dem Brausekonzern aus Atlanta zuordnen. Ein solches Schicksal dürfte dem Unternehmen künftig erspart bleiben, immerhin kommt der Firmenname im Slogan vor. Werbeexperten kritisieren aber das völlige Abdriften vom „Real“-Image, das seinerzeit den legendären Slogan „Drink Coca-Cola“ ersetzt hatte. Der hatte das Unternehmen seit 1886 begleitet, war im Zeitalter aggressiverer Kampagnen aber zu flach geworden.

Kritikern scheint es zunehmend, als würden Slogans zu oft ausgetauscht, weil sich ein zuständiger Ressortleiter ein Vermächtnis aufbauen möchte. Mit der aktuellen Umsatzentwicklung habe die Umgestaltung von Kampagnen oft zu wenig zu tun – verbessern lasse sie sich auch nicht so leicht. „Die Unternehmen schmeißen Millionen für einprägsame Slogans raus“, kritisiert Kelly O'Keefe, CEO des Marketing-Experten Emergence. „Irgendwann werden sie merken, dass das nichts bringt und die Botschaft beim Kunden meist nicht ankommt.

Beruhigend ist im Falle von Coca-Cola natürlich, dass sich das Unternehmen nicht nur auf eine neue Kampagne und neue Medien stützt. Auch die Produktpalette soll ausgebaut werden, zunächst um den Cola-Kaffee-Drink „Blak“ und den Energie-Trunk „Vault“ nebst der kalorienfreien Variante „Vault Zero“. Wirklich abenteuerlich sind diese Ideen indes auch nicht, weshalb Anleger auch nach einer Einführung in die Zukunft Coca-Colas die Aktie links liegen lassen. Auch neue Getränke bringen es nicht immer, wie man noch von „Cherry Coke“ weiß. Den Energie-Markt ist man wiederum zu spät angegangen, andere Segmente wie Snacks und Säfte sind auch nicht so gut entwickelt wie beispielsweise beim Konkurrenten PepsiCo.

Ob „Welcome to the Coke Side of Life” ein Flop wird, bleibt abzuwarten. Der erste wäre es nicht, und vermutlich auch nicht der schlagzeilenträchtigste. Den lieferte sich vor wenigen Monaten der US-Bundesstaat New Jersey, der nicht zu den beliebtesten der fünfzig US-Staaten gehört. Ganze 260 000 Dollar schmiss Interims-Gouverneur Richard Codey raus, für die eine lokale Agentur den Spruch „We’ll win you over“ formte – auf deutsch: „Wir werden Sie überzeugen!“ Das klinge von vorneherein als müsse sich New Jersey beweisen, kritisierte Codey und sagte die groß geplante Präsentation des neuen Mottos ab. Jetzt hat man einen Wettbewerb ausgerufen, bei dem NJ-Bürger ihre Ideen einsenden können. Die Idee dahinter. Eine Botschaft aus dem Volk kommt beim Volk vielleicht besser an.

Darauf sollten künftig vielleicht auch die Unternehmen hören.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
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