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Alt 29-11-2005, 21:28   #375
Starlight
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Expertenstreit über den „Black Friday“

Seit gestern weiß die Wall Street, dass das Weihnachtsgeschäft für den amerikanischen Einzelhandel großartig werden soll. Darauf ließ der Kundenansturm am „Black Friday“ schließen. Jedenfalls auf den ersten Blick. Jetzt kommen neue Daten aus der Branche, die plötzlich nicht mehr alles so rosig sieht.

Es hatte auch alles viel zu schön ausgesehen: Der Branchenverband NRF hatte zunächst von einem Umsatz von 27,8 Milliarden Dollar berichtet, was einer Steigerung von satten 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr entsprochen hätte. Da hatte mancher Anleger schon das Glas zum Toast auf steigende Kurse erhoben, als die Zahlen des Umfragedienstes ShopperTrak eintrafen. Die dortigen Einzelhandelsexperten sagen, dass die Umsätze in den Malls von 13,8 Milliarden auf 13,4 Milliarden leicht zurückgegangen seien.

Wer hat Recht? – „Nehmen wir die beiden Zahlen und suchen die Mitte“, rät Michael Niemira, der Chef-Volkswirt des International Council of Shopping Centers, einem weiteren Branchenverband.

Das dürfte hinkommen, nicht zuletzt weil die beiden Zahlen nach Meinung der Analysten recht akkurat sein dürften. Sie drückten nur unterschiedliches aus. Die NRF hat Kunden darüber ausgefragt, ob sie am langen Thanksgiving-Wochenende einkaufen waren und wie viel Geld sie ausgegeben haben. In den Umfrage-Ergebnissen sind folglich alle Läden in ganz Amerika enthalten, darunter die Filialen in den Malls, die Supermärkte, Kaufhäuser und einige spezialisierte Einzelhändler.

Die Experten von ShopperTrak hingegen bekommen ihre Daten aus 45 000 Läden im ganzen Land und decken damit doch nur ein Segment ab. An ihren Umfragen nehmen zwar einige der größten Einzelhandelsketten, darunter Target und JC Penney teil, nicht aber der Branchenriese Wal-Mart und auch nicht die großen Elektronik-Ketten Best Buy und Circuit City. Ausgerechnet die haben aber mit teilweise völlig wahnsinnigen Sonderangeboten (Laptops zum halben Preis, etc...) für einen nie gesehenen Kundenansturm gesorgt.

Doch erste Zahlen hin und her, der riesige Ansturm ist es, der Analysten eine zuverlässige Einschätzung der Lage noch einmal erschwert. Da viele Sonderangebote zeitlich begrenzt und die besten traditionell schon binnen weniger Minuten vergriffen sind, prügeln sich viele Kunden in den frühen Freitagsstunden durch die Läden, die sie danach für drei Wochen meiden. Je weiter der massiv gehypte „Black Friday“ wegrückt, desto mehr Analysten geben zu, dass der „wichtigste Einkaufstag des Jahres“ wohl keine Rückschlüsse auf das Weihnachtsgeschäft zulassen dürfte.

Im Gegenteil: Je stärker die Umsätze am ersten Tag der Saison ausfallen, desto mehr könnten sie in den nächsten Tagen und Wochen einbrechen. Das sei ohnehin schon seit Jahren der Fall, wirft Scott Krugman von der NRF ein. Es sei völlig unmöglich, die Umsätze von „Black Friday“ über mehrere Wochen zu halten. Nach dem Kampf um Sonderangebote in den ersten Stunden lege sich der Trubel schnell, bis zum letzten Wochenende vor Weihnachten sehe man dann wenig.

Die Börse nimmt daraus einen wertvollen (?) Hinweis mit: Nach dem Hype um den Freitag nach Thanksgiving steht ein neues angebliches Schlüssel-Datum im Raum. Das letzte Vorweihnachts-Wochenende dürfte scharf beäugt werden, erneut dürften Einzelhandlesaktien um diesen Termin herum sehr volatil sein. Mehr ist vorab nicht zu sagen.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
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