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Alt 21-11-2005, 18:44   #371
Starlight
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Bush kommt mit leeren Händen aus China

Seit einer Woche weilt US-Präsident George W. Bush in Asien, am Wochenende besuchte er den Handelspartner China. Auf dem New Yorker Parkett ist das kein Thema, denn Bush hat so gut wie nichts vorzuweisen. Seine Gespräche mit der chinesischen Regierung seien „freundlich“ gewesen, Ergebnisse gibt es aber nicht.

Am deutlichsten wird die klägliche Bilanz von Bushs Asienreise mit Blick auf die Yuan-Politik in China. Das Thema ist an der Wall Street und in Washington von immenser Wichtigkeit, denn die unterbewerte Währung verschafft chinesischen Waren international einen Preisvorteil. Folge: Das amerikanische Handelsdefizit mit China ist auf 200 Milliarden Dollar gestiegen und hat damit längst das Defizit überstiegen, dass der erste Präsident Bush in den Achtzigerjahren mit Japan zu bewältigen hatte.

Bush Junior scheint das aktuelle Handelsproblem nicht bewältigen zu können. Mit dem chinesischen Präsidenten Hu hat Bush zwar über die Währungspolitik gesprochen. Dass dieser aber großspurig zusicherte, man werde „unnachgiebig am Kurs festhalten“ und den Yuan neu bewerten, bedeutet rein gar nichts. Denn einen Kurs, an dem man „unnachgiebig“ festhalten könnte, haben Bush und Hu gar nicht abgesteckt. Seit China vor einem halben Jahr den Yuan vom Dollar abgekoppelt hat, sind keine Schritte mehr unternommen worden, einen Zeitplan für weitere Neubewertungen gibt es nicht.

Da nutzt es nichts, dass Bush-freundliche Experten bereits erklären, die China-Reise sei eine „mission accomplished“ – ein erfolgreich beendetes Unterfangen. Schon die Wortwahl des Politik-Professors und Asien-Experten Xiaobo Hu von der Clemson University in South Carolina erinnert an ein früheres Bush-Desaster. Vor zweieinhalb Jahren hatte Bush den Irakkonflikt zu einer „mission accomplished“ erklärt, obwohl der Krieg gerade erst begonnen hatte und seither weitere fast 2000 US-Soldaten gefallen sind.

Ein zweiter Hauptpunkt der Bush-Reise nach China waren die ständigen Copyright-Verletzungen der in China beheimateten Raubkopierer gegen US-Medienkonzerne. In bezug auf dieses Problem sei man einen guten Schritt weiter gekommen, erklärte Außenministerin Concoleeza Rice nach Gesprächen mit den asiatischen Kollegen. Konkretes wollte indes auch sie nicht sagen. Nur: Statt die Probleme nur anzuerkennen habe man auch erklärt, dass man sich dieser annehmen wolle.

Nach China mitgereiste Reporter der New York Times konnten indes einige aktuelle US-Filme auf DVD und eine voll funktionsfähige Version von Microsofts Windows Office für ein paar Dollar erstehen.

Andere politische Themen scheinen Bush und Hu in „freundlicher aber angespannter Atmosphäre“ ebenso ergebnislos abgehakt zu haben. So scheint kein einziger Fall von Menschenrechtsverletzungen einen Schritt weiter zu sein, die der US-Präsident mit Hu diskutierten wollte. Im Gegenteil: Während Bushs Besuch in Peking gab es neue Berichte über politischen Druck auf Dissidenten, mehrere politische Führer waren bereits vor Bushs Anreise unter Hausarrest gestellt worden und durften kein Telefon benutzen.

In Sachen Religionsfreiheit schien sich Bush damit zufrieden zu geben, dass man ihn selbst einen christlichen Gottesdienst feiern ließ. Zwar richtete der Präsident nachher mahnende Worte an seine Gastgeber, in denen er die Unterdrückung von Religionen verurteilte, doch beeindruckte das in China niemanden. Im Gegenteil: Mehrere chinesische Christen, die mit Bush in den Gottesdienst nahe des Platzes des Himmlischen Friedens wollten, waren von Ordnungskräften abgewiesen worden.

Ganz ohne Erfolge wird George W. Bush die Heimreise aber nicht antreten müssen. Bei Boeing wird man sich darüber freuen, dass China wohl 70 Flugzeuge für 4 Milliarden Dollar kaufen soll. Das würde das Handelsbilanzdefizit etwas abbauen, doch sind Einzelheiten zu dem Deal noch sehr unsicher. Seine Kritiker in Washington werden entsprechend nicht sehr zufrieden sein, wenn Bush außer Absprachen über Boeing-Lieferungen mit leeren Händen zurück kommt.

Des Präsidenten Erfolg beim Radfahren – am Sonntag war Bush mit der chinesischen Auswahl per Mountainbike unterwegs – dürften ihm in Washington jedenfalls wenig bringen.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
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