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Alt 10-11-2005, 20:46   #362
Starlight
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Kriegs-Portfolio: Tod, Elend und hohe Gewinne

Wenn die Kanonen donnern, dann läuft die Börse. Das ist weitgehend bekannt. Und auch dass es sich durchaus lohnt, moralische Bedenken in den Wind zu schlagen und sich an den Gewinnen von Rüstungs- und Wiederaufbau-Unternehmen zu beteiligen, ist nicht neu. Ein Blick auf die Börsendaten zum Irak-Krieg fällt trotzdem überraschend aus.

Überraschend positiv, bilanziert ein Analysten-Team von CNN, sei der Irak-Krieg für die US-Börsen verlaufen. Die Experten hatten mit Kriegsbeginn vor etwas mehr als zweieinhalb Jahren ein Musterportfolio eröffnet und geben nun Einblick. Wichtigste Eckdaten: Ein Investment von 23 00 Dollar – das sind jeweils 1000 Dollar in Aktien von 23 ausgesuchten Unternehmen – hätte heute einen Wert von 40 000 Dollar. Damit blickt man auf ein Plus von 78 Prozent, verglichen mit 39 Prozent für den marktbreiten S&P-500-Index.

Auffallend dabei ist, dass zwar der größte Prozentgewinner aus dem Rüstungsbereich kommt, die beste Branche für Kriegs-Anleger waren bis dato aber die Experten für Wiederaufbau. Halliburton, der ehemalige Arbeitgeber von Vize-Präsident Dick Cheney und ganz offensichtliche Liebling der Regierung, hat seine Aktie nach zahlreichen Aufträgen im Irak um 173,3 Prozent klettern sehen. Fluor und die Washington International Group haben sich um 104,6 beziehungsweise 182,1 Prozent verbessert. Beide Unternehmen bewerben sich um den mit 600 Millionen Dollar höchst dotierten Einzelauftrag der Regierung zum Wiederaufbau der Infrastruktur im Irak.

Doch zurück zu den Rüstungsaktien. Spitzenreiter mit einem Plus von 239,1 Prozent ist United Defense Industries. Der Hersteller der M2- und M3-Panzer gehört mittlerweile zu BAE Systems. Auf den Plätzen folgen der Hersteller der Abache Helikopter und Lancer Jets, Boeing, mit einem Plus von 134,4 Prozent, und General Dynamics, der Hersteller der M1-Panzer, mit einem Plus von 101,1 Prozent.

Die anderen Rüstungsriesen im Portfolio – der Munitionsmacher Alliant Technologies, der Simulatorenbauer CACI, der Überwachungs- und Kommunikationsspezialist L-3 Communications, der Nighthawk-Bauer Lockheed Martin, und Raytheon, der Hersteller der Tomahawk Cruise Missiles – haben sich um jeweils 20 bis 80 Prozent verbessert. Nur zwei Rüstungs-Aktien notieren schwächer als zu Beginn des Krieges: Der Kampfjet-Hersteller Northrop Grumman hat 36,6 Prozent verloren, der Dow-notierte Black-Hawk-Bauer United Technologies 15,2 Prozent.

Die Experten hatten vor zweieinhalb Jahren indes auch andere Bereiche bedacht – mit höchst unterschiedlichen Ergebnissen. Im Sicherheits-Sektor hat sich allein Invision Technologies deutlich verbessert. Die Aktie des Herstellers von Bomben-Detektoren hat um 117 Prozent zugelegt, seit die Maschinen an sämtlichen amerikanischen Flughäfen Pflicht sind. Viisage Technologies, der Hersteller von Gesichts-Erkennungssystemen hat indes nur um 1,0 Prozent zugelegt. Der Fingerabdruck-Experte Identix hat um 16,8 Prozent nachgegeben, CompuDyne um 12,8 Prozent. Letzteres Unternehmen stellt schusssichere Verkleidungen für Flughäfen und Flugzeuge her.

Größter Gewinner im Biotech-Sektor – seit den Anthrax-Drohungen unter besondrer Beobachtung – ist der deutsche Pharmazeut Bayer. Der Hersteller des Anthrax-Mittels Cipro klettert seit Kriegsbeginn um 155,7 Prozent. Der Konkurrent Vaxgen, der auf Mittel gegen Anthrax- und Pocken spezialisiert ist, hat sich um 146,4 Prozent verbessert, der Pocken-Experte Baxter International um 82,6 Prozent. Ein weiterer Konkurrent in dem Feld, Human Genome Sciences, bilanziert hingegen nur ein Plus von 0,7 Prozent, während zwei Biotech-Aktien im roten Bereich handeln. Dem Strahlenschutz-Experten Hollis-Eden fehlen 1,4 Prozent, dem Pharmazeuten Acambis ganze 79,4 Prozent. Das Unternehmen ist auf Impfungen gegen Pocken und Immunschwäche spezialisiert.

Die Aktienexperten bei CNN halten sich mit einer moralischen Bewertung des Portfolios zurück. Mit hohen Aktiengewinnen sei einerseits das Ende der Diktatur im Irak gekommen – andererseits habe der Krieg Tod und Elend gebracht. Mehr als 2000 amerikanische Soldaten sind mittlerweile gefallen, die Zahl der toten irakischen Kämpfer ist um ein Vielfaches höher.

Nur eine Bitte haben die Portfolio-Betreuer: Wer einen Teil seiner Rente in eine der Kriegsunternehmen investiert hat, solle doch am morgigen Freitag noch ein wenig dankbarer sein als sonst. Zum Wochenausklang begeht Amerika „Veteran’s Day“ und gedenkt der Soldaten in unzähligen zurückliegenden Kriegen.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
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