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Alt 09-11-2005, 18:52   #361
Starlight
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Die Öl-Bosse stellen sich stur

Am Mittwoch fällt der Ölpreis weiter, nach dem die Lagerbestände an Öl und Benzin deutlich zugenommen haben. Mit dem Ölpreis fallen meist die Aktien der Branche, doch das ist nicht die Hauptsorge der Öl-CEOs. Vielmehr müssen sie sich in Washington vom Senat befragen lassen und sehen sich verärgerten Verbrauchern gegenüber.

Verärgerte Verbraucher sind keine guten Wähler, das wissen die Senatoren. Entsprechend sind es ausnahmsweise auch nicht nur die Demokraten, die sich seit Wochen gegen die Rekordgewinne der Öl-Industrie auflehnen und eine Sondersteuer fordern. Auch einige Republikaner haben sich dem Protest angeschlossen, wenngleich nicht alle.

Zumindest einen treuen Unterstützer haben die großen Ölkonzerne in Ted Stevens. Der Senator und Vorsitzende des Energieausschusses ist nicht nur Republikaner, sondern vertritt zudem den Öl-Staat Alaska, in dem mit der Suche und Förderung des Schwarzen Goldes die Konjunktur steht und fällt. Stevens ist wie die Mehrheit seiner Wähler für die Öl-Produktion im arktischen Naturschutzgebiet, und er ist dafür, dass man die Konzerne von politischer Seite nicht allzu hart angeht.

Da tut Stevens was er kann, und so begann die Anhörung von fünf Öl-Bossen am Mittwochmorgen in Washington mit einem Streit. Die Demokraten wollten die Vorgeladenen unter Eid stellen, was Stevens denen keinesfalls zumuten wollte. Sie seien gesetzlich ohnehin verpflichtet, die Wahrheit zu sagen, rechtfertigte der Chairman, warum die Herren von Exxon & Co. schließlich ohne Eid aussagen durften.

Denen schien ein Einwand von Daniel Inouye, dem demokratischen Senator von Hawaii, entgangen zu sein. Inouye hatte erklärt, als Zeuge würde er selbst darauf bestehen, einen Eid leisten zu dürfen. Schließlich wolle er seinen Willen bekräftigen, die Wahrheit zu sagen. Die Öl-Bosse hingegen wollten lieber gar nichts sagen.

Da saßen sie in einer Reihe: CEO Lee Raymond von ExxonMobil, CEO David O’Reilly von ChevronTexaco, CEO James Mulca von ConocoPhilips und die US-Chefs der Übersee-Größen BP und Shell – und versuchten, nichts zu sagen. Raymond begann damit, nicht einmal die Preisfindung in der Branche erklären zu wollen. Auf wiederholte Nachfrage erklärte er nur, dass Öl „von den Saudis“ zu einem bestimmten Preis angeboten würde, und dass der Rest von „willigen Verkäufern und willigen Käufern“ nach den Gesetzen des Marktes festgelegt würden.

Interessantes Detail: Auf die Nachfrage von Pete Domenici, dem Republikaner aus New Mexiko, ob die Preise künstlich hoch gehalten würden und von wem, gab keiner der fünf Öl-Riesen ein klares „Nein“.

Auch sonst gab es keine klaren Aussagen. An den hohen Benzinpreisen seien die Tankstellenbetreiber schuld, meinte Lee Raymond. Und John Hofmeister, der US-Chef von Shell Oil wehrte sich mit freundlichen Floskeln gegen die Vorwürfe der kalifornischen Abgeordneten Barabara Boxer, die Industrie halte die Nachfrage künstlich gering um die Margen höher schrauben zu können. Pikant: Shell wurde in Kalifornien zim Zusammenhang mit der versuchten Schließung der Raffinerie Bakersfield bei mehreren Lügen ertappt. Hofmeister wich näheren Erklärungen dazu aus, warum man die Profitabilität des Werkes abgestritten und mögliche interessierte Käufer verleugnet habe.

Den Abgeordneten wird es nach Abschluss der noch laufenden Anhörung nicht leicht fallen, politische von wahren Aussagen zu trennen. In manchen Fällen könnte das dem Senat in die Tasche spielen. Denn zahlreiche Politiker beider Parteien sprechen sich für eine Sondersteuer auf die gigantischen Gewinne der Branche aus, die nach Schätzungen in diesem Jahr einen Profit von etwa 96 Milliarden Dollar einfahren soll.

Als ersten Ansatz einer Steuer drohte beispielsweise der Demokrat Byron Dawson aus North Dakota, dass die Branche ihre Steuervergünstigungen wieder abgeben müsse, die das Weiße Haus im Rahmen eines neuen Energiegesetzes erst vor wenigen Monaten beschlossen hatte. Für ExxonMobil mache das „keinen Unterschied“, beteuerte CEO Raymond wiederholt. Man habe von der neuen Gesetzgebung keine Vorteile.

Ob Präsident George W. Bush unter diesen Umständen eine drohende Senatsvorlage zur Rückerstattung der Subventionen mit einem Veto verhindern würde, ist nicht klar. Zumal das Weiße Haus zumindest teilweise für die Niederlage der Republikaner in zahlreichen wichtigen Wahlen am Dienstag verantwortlich ist und vor den Senatswahlen im nächsten Jahr unbedingt die Richtung ändern muss.

Unklar wäre hingegen aoch, ob derlei politische Aktionen dem Verbraucher nutzen. Sehr wahrscheinlich ist, dass höhere Steuern für die Öl-Konzerne den Rohstoff künftig weiter verteuern dürften. Viel mehr Sinn würde es daher machen, die Forderungen an die Konzerne zweckgebunden in einen Sozialfond zu stecken, mit dem – wie von zahlreichen Politikern gefordert – die Heizrechnungen von Konsumenten beglichen würden, die ihre Rechnungen sonst nicht mehr bezahlen könnten.

Ob und wann so ein Schritt stattfinden würde, ist offen. Dem Verbraucher hilft es unterdessen, dass zumindest die aktuelle Auflage des „Farmers Almanach“ von einem sehr milden Winter spricht. Die Heizkosten dürften also verhältnismäßig niedrig ausfallen, da die Anzahl der kalten Tage deutlich unter dem Mittel liegen soll.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
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