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Alt 02-11-2005, 18:52   #356
Starlight
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Öl-Branche: Streit um eine Strafsteuer

Öl, wohin man blickt. Nachdem der Markt zuletzt vier Wochen lang auch ein wenig durch die Ertragssaison und außergewöhnliche politische Querelen mitbestimmt wurde, ist man nun wieder beim schwarzen Gold angelangt. Hohe Lagerbestände versprechen weniger steil ansteigende Preise – die Wall Street hebt nach einem schwachen Start ab.

Doch sind es nicht nur die Lagerbestände, um die sich die tägliche Öl-Diskussion trägt. Die jeweils neuesten Zahlen der beiden großen Branchendienste prägen den Handel zwar ebenso wie der regelmäßige Blick auf die Presitafeln an den Tankstellen, doch ist das Kernstück der Diskussion um Öl längst ein anderes: Washington streitet sich über eine Sondersteuer auf die „windfall profits“ der Öl-Konzerne, der unerwartet hohen Gewinne also, die die Branche den historisch hohen Ölpreisen der letzten Monate zu verdanken hat.

Zur Erinnerung: Branchenführer ExxonMobil hat erst vor einer Woche einen Quartalsgewinn von fast 10 Milliarden Dollar gemeldet, was einer Steigerung um 75 Prozent gegenüber dem Vorjahr entsprach.

Obwohl nun Sondersteuern auf hohe Gewinne eigentlich dem Prinzip einer freien Marktwirtschaft widersprechen, machen sie in diesem Fall durchaus Sinn. Aus mehreren Gründen:

So widerspricht es scließlich auch dem Prinzip der freien Marktwirtschaft, dass Unternehmen vom Staat bezuschusst werden. Genau das aber passiert in der Öl-Branche immer wieder, zuletzt mittels der von den Republikanern im Senat durchgedrückten Energie-Novelle. Die war von vorneherein umstritten, weil sie weder Geld für alternative Energien vorsieht, noch Konzepte zum Energiesparen – wohl aber 4 Milliarden Dollar in Steuernachlässen und 10,5 Milliarden Dollar in weiteren Zugeständnissen für die Branchenriesen.

Allein dieses Steuergeschenk zurückzugeben, wäre streng genommen keine allzu harte Maßnahme und würde die wirtschaftliche Entfaltung von Unternehmen und Branche nicht hemmen. Doch die Forderungen der Befürworter einer „Windfall“-Steuer gehen noch weiter. Zehn Prozent der Gewinne, so fordern Demokraten und einige Republikaner, sollten die Konzerne in das staatliche Programm LIHEAP einbringen, dass armen Amerikanern – sprich: zahlungsufähigen Kunden – die Heizrechnungen im bevorstehenden Winter bezahlt.

Charles Grassley, republikanischer Senator aus Iowa und Vorsitzender im Finanzkomittee, meint: „Es ist alles andere als unvernünftig zu erwarten, dass Firmen, derem Gewinne um 50 bis 100 Prozent gestiegen sind, magere 10 Prozent davon in soziale Programme wie LIHEAP stecken.“ Grassley fordert weiter eine detaillierte Aufstellung von Spenden, die Unternehmen an karitative Zwecke geben. Anders sehen das die Lobbyisten und Hardliner unter den Republikanern, allen voran Präsident George W. Bush und der Fraktionsführer der Partei im Senat, Bill Frist: „Ich kann diese Pläne nicht unterstützen“, meint letzterer karg.

Dabei gehen manche Pläne durchaus noch weiter. Die Demokraten wünschen sich eine dauerhafte Strafsteuer für die Öl-Industrie, die Unternehmen treffen soll, die nicht in neue Raffinerien investieren und damit das Angebot künstlich niedrig und die Preise hoch halten. Laut einem ersten Konzept von Byron Dorgan, dem Senator aus North Dakota, sollen Unternehmen 50 Prozent der Gewinne abtreten müssen, die mit einem Ölpreis über 40 Dollar pro Fass erzielt wurden.

Der Ansatz der Partei ist stichhaltig. Einerseits haben die Unternehmen in den letzten Jahren immer wieder durchblicken lassen, dass Investitionen in Raffinerien und die Erhöhung der Kapazitäten tatsächlich aus preispolitischen Gründen nicht interessant seien. Und andererseits kommen die Branchengrößen ihren vielfachen Versprechen, in die Entwicklung alternative Energien zu investieren, nicht nach. ExxonMobil erklärt zwar stolz, in diesem Jahr 85 Millionen Dollar in eben diesen Sektor gesteckt zu habe. Das sind allerdings weniger als 1 Prozent des Quartalsprofits oder etwa 0,3 Prozent des Jahresgewinns.

Die Befürworter einer „windfall tax“ haben also starke Argumente, die sich in der nächsten Woche auftischen werden, wenn sich ExxonMobil vor einem eigens eingerichteten Senatsausschuss für seine Preispolitik und in anderen Fragen rechtfertigen muss. Ob es nach den Anhörungen und eingängiger Beratung in Washington letztlioch eine „windfall tax“ geben wird, ist nicht abzusehen. Bis dahin aber werden sich deren Befürworter weiter als „Kommunisten“ beschimpfen lassen – so geschehen im Börsensender CNBC.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
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