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Alt 01-11-2005, 20:36   #355
Starlight
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Viel Spaß mit einer Übernahme

Über Xiufeng Zhang ist nicht viel bekannt, dabei plant der Chinese einen der größten Übernahme-Coups in der Geschichte. Für 450 Milliarden Dollar will Zhang den Öl-Giganten ExxonMobil kaufen, was die Wall Street (und XOM-Anleger) verständlicherweise als Scherz abtun. Dafür gibt es manchen Grund.

Gegen Zhang spricht nicht zuletzt, dass ihn nicht einmal die engsten Nachbarn für einen international ernstzunehmenden Geschäftsmann halten. „Eine Firma?“, fragt ungläubig Frau Zhu, die mit Zhang einen Gang im 14. Stock ihres Wohnhauses am Stadtrand von Peking teilt. Ein Reporter von Reuters hatte sie am Montag aufgesucht, nachdem mehrere Anrufe in Herrn Zhangs Büro/Wohnung unbeantwortet geblieben waren. „Eine Firma kann er hier nicht haben“, meint Frau Zhu. Das Zimmer sei auch sehr klein, koste 150 Dollar im Monat.

Ob Frau Zhus Aussage, Herr Zhang komme „immer sehr spät heim“, für den viel beschäftigten Geschäftsmann oder gegen den unternehmungslustigen Leichtfuß spricht, ist hingegen unklar.

Doch Frau Zhu ist nicht die einzige, die sich Herrn Zhang nicht ernsthaft als Drahtzieher einer Milliarden-Übernahme vorstellen kann. Obwohl die amerikanische Börsenaufsicht SEC das Formular „SC TO-C“ bearbeitet und abgespeichert hat, mit dem die von Herrn Zhang gegründete King Win Laureal Ltd. ihre Übernahmeabsichten für ExxonMobil öffentlich macht, hat man weder dort noch in der Konzernzentrale des Öl-Multis auf das Papier reagiert. Das mag auch daran liegen, dass Herr Zhang in seiner SEC-Erklärung ganz naiv schreibt, die ExxonMobil-Übernahme sei für King Win Laurel „erst der Anfang eines Einstiegs in das Energiegeschäft.“ – Nun, es ist wohl nie zu spät!

Von einem Brief an das Management, den Herr Zhang gegenüber der SEC erwähnt, scheint man bei ExxonMobil gar nichts zu wissen. Und in den Chefetagen bei mindestens zwei anderen Firmen wird man sich an ähnliche Luftnummern erinnern: Vor genau einem Jahr hatte King Win Laurel ein Übernahmeangebot an Telstra gerichtet, den größten australischen Telekom-Anbieter. Ein halbes Jahr zuvor hatte man für Restaurant Brands geboten, eine neuseeländische Holding, die die dortigen Geschäfte von KFC, Pizza Hut und Starbucks betreut.

In beiden Fällen hatte sich schnell herausgestellt, dass Herr Zhang und sein Unternehmen nicht einmal die grundsätzlichsten Formalitäten für eine Übernahme beachtet hatten. Abgesehen von wesentlich wichtigeren Fragen – Woher kommt das Geld? – schalteten sich jeweils die Behörden ein und zogen den Stecker. Damit müsste Herr Zhang wohl auch diesmal rechnen. Man erinnere sich nur an die hitzigen Debatten um den chinesischen Öl-Multi CNNOC, der sich vor einem Vierteljahr bekanntlich vergeblich um den US-Konkurrenten Unocal bemüht hatte. Schon den hatte der Kongress nicht aus dem Land lassen wollen, den Branchenriesen würde der größte Öl-Konsument der Welt schon gar nicht in chinesische Hände geben.

Was der Wall Street aus der Geschichte bleibt, ist eine gute Prise Spaß. Vor allem im Zusammenhang mit den Öl-Multis hatte man zuletzt wenig zu lachen. Zwar haben Exxon und die Konkurrenten dank historisch hoher Ölpreise im abgelaufenen Quartal Rekordgewinne eingefahren. Doch dreht sich in Washington eine nicht unbegründete Debatte um eine Sondersteuer, die die Branche auf die ungewöhnlich hohen Gewinne zahlen solle.

Ob Herr Zhang solche Dinge beachtet hatte, wird wohl nie herauszubekommen sein.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
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