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Alt 30-10-2005, 11:07   #106
621Paul
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Nicht wieder gut zu machender Schaden

Von Dr. Bernd Niquet

Nehmen wir einmal an, ein Mitglied der neuen Geschaeftslei-
tung eines Unternehmens tritt noch vor seinem Amtsantritt vor
die Presse und verkuendet, dass sein Unternehmen eigentlich
Konkurs anmelden muesste. Wer wird von diesem Unternehmen
noch Produkte kaufen? Und wer wird diesem Unternehmen noch
Geld anvertrauen? Solche Geschaeftsfuehrer muesste man ei-
gentlich gleich wieder vor die Tuer setzen.

Anfang dieser Woche sagte der hessische Ministerpraesident
Roland Koch nach den Verhandlungen zur Bildung einer neuen
Regierung: "Wuerden die Regeln des privatwirtschaftlichen In-
solvenzrechts gelten, dann wuerde jede Minute, die man zoe-
gerte, beim Insolvenzgericht den Konkurs des Unternehmens
Deutschland anzumelden, eine Straftat darstellen."

Wuerde man die privatwirtschaftlichen Usancen bei Herrn Koch
selbst anwenden, so gehoerte er sofort gefeuert. Fristlos und
ohne jede Abfindung. Was fuer dummes Gerede ist das? Und wo
fuehrt das hin?

So wie es aussieht, scheint die Grosse Koalition die Attitue-
de des Merkelschen Wahlkampfes weiter fortsetzen zu wollen.
Alles ist so fuerchterlich hoffnungslos. Dabei sind die Defi-
zite der Bundesrepublik Deutschland weit geringer als die
anderer grosser Wirtschaftsmaechte, um nur einmal die USA
oder Japan zu nennen. Doch hier agiert man pragmatisch und
optimistisch, versucht gegenzusteuern. Bei uns hingegen wird
wieder einmal nur gejammert.

Und immer deutlicher uebertraegt sich die Larmoyanz unserer
Fuehrungselite auf die normale Bevoelkerung. Wer will sich
denn noch fuer unser Land engagieren, wenn derartige Leute an
der Spitze stehen? Wer will sich noch fuer unser Land enga-
gieren, wenn es sowieso schon ein Fall fuer den Konkursrich-
ter sein soll? Wer traut sich noch zu konsumieren, wenn er
damit rechnen muss, dass er vom Konkursverwalter des Staates
mit heftigen Regressforderungen konfrontiert werden koennte?

Eine schlechtere Wirtschaftpolitik als die gegenwaertige ist
letztlich ueberhaupt nicht mehr denkbar. Es ist bereits heute
eigentlich voellig egal, was diese Regierung einmal be-
schliessen wird. Der Schaden ist bereits so gross, dass er
nicht mehr wieder gut zu machen ist. Und irgendwie ist man
fatal an ganz unselige Zeiten deutscher Wirtschaftspolitik
erinnert. Roland Koch und Angela Merkel - im Felde unbesiegt.
Und nur vom Dolch der Defizite gemeuchelt. Die Dolchstoss-
legende, zweiter Teil.

Und dann immer dieses Ueberrascht-Sein. Jeder Buerger weiss
um den Stand des Staatsdefizits, nur unsere Fuehrungselite
ist immer wieder ueberrascht. Und natuerlich betroffen.
Unsaeglich betroffen. So richtig deutsch-betroffen. "So
schlimm haben wir uns das aber nicht vorgestellt." CDU-
betroffen. Aber selbst die SPD soll ja wohl betroffen sein,
was dabei heraus kommt, wenn man die Zahlen, die man doch in
eigener Regie zu verantworten hat, genauer betrachtet.

Oh, wuerden wir uns doch nur auf Ludwig Erhard besinnen und
die ganzen Redenschwinger und ueberraschten Heinis in die
Wueste schicken. Das waere das beste Konjunkturprogramm des
neuen Jahrtausends. Und wahrscheinlich das einzige, was wirk-
lich zieht. Die Klappe halten und einfach losmachen. Vor
allem: Die Klappe halten!

++++++

Bernd Niquet ist Boersenkolumnist und Buchautor.
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Wenn viele Anleger dasselbe glauben, dann muss dies noch lange nicht bedeuten, dass es stimmt oder wahrscheinlich ist. Das Gegenteil ist oft der Fall.
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