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Alt 19-10-2005, 20:17   #345
Starlight
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Pilgerfahrt nach Hurricane

Glück und Unglück liegen oft dicht beisammen. Nur wenige Tage nachdem der Hurrikan Katrina das Haus von Caronell Allen zerstört hatte, knackte der nach Oklohoma Evakuierte den dortigen Lotto-Jackpot – 25 000 Dollar werden ihm beim Wiederaufbau seiner Existenz helfen. Jetzt ist ein weiterer Hurrikan unterwegs, und ein neuer Jackpot.

An der Wall Street ist es natürlich der Hurrikan, der die Stimmung prägt. Wilma dreht sich mittlerweile mit mehr als 300 Stundenkilometern und ist damit der schwerste Hurrikan der Saison. Das ist umso überraschender als Wilma am Dienstagabend noch ein einfacher Tropensturm gewesen war, der erst über Nacht in ungeahnter Weise an Kraft gewonnen hat.

Die Meteorologen sind momentan bedingt optimistisch, was den Verlauf des Hurrikans angeht. Wilma hält auf Florida zu, was zwar die dortigen Anwohner in Angst und Schrecken versetzt, aber wenigstens die bereits beschädigten Öl-Plattformen und Raffinerien an der Küste zwischen Louisianna und Texas verschonen dürfte. Eine Garantie gibt es natürlich nicht, immerhin dreht sich das Auge noch über den Cayman Islands, hält langsam auf Kuba zu und soll erst am späten Samstag US-Boden erreichen.

Aber was ist schon sicher in dieser Hurrikan-Saison, die offiziell noch bis Ende November dauert. Es ist eine schreckliche Saison der Wetterrekorde. Wilma ist der 21. schwere Hurrikan in diesem Jahr, soviele gab es überhaupt erst ein einziges Mal – anno 1933. Sollte es in den nächsten Wochen weitere Unwetter geben, haben die Meteorologen laut ihrer Richtlinien nicht einmal mehr richtige Namen zu vergeben, Hurrikans nach Wilma werden dann nach dem griechischen Alphabet benannt, würden folglich Alpha, Beta und so weiter heißen.

Das Namensproblem der Meteorologen ist natürlich vergleichsweise klein gemessen an den Sorgen der Floridianer. Der Sonnenstaat ist dicht bevölkert, die ersten Snowbirds – die Senioren aus den nördlichen Bundesstaaten, die Zugvögeln gleich den Winter in der Strandresidenz zwischen Miami und Fort Lauderdale verbringen – sind längst eingeflogen. Nun verrammeln sie ihre Häuser, schrauben Holzbohlen vor die Fenster und schauen, dass sie wieder weggekommen. Die I-75 ist die einzige Autobahn, die aus dem zur Zeit stärkst bedrohten Gebiet gen Norden führt – Staus sind vorprogrammiert

Und im Norden ist man nicht einmal sicher, denn Wilma dürfte in den nächsten zwei Wochen bis nach Neu-England ziehen, wo bereits in den vergangenen zwei Wochen Regenstürme für Überschwemmungen mit mehreren Toten gesorgt haben.

Nach Katrina und Rita ist also Wilma der dritte Hurrikan mit möglicherweise katastrophalen Auswirkungen für mehrere Staaten – und mit Milliardenkosten für die USA, denen es finanziell eh immer schlechter geht. Das Haushaltsdefizit wächst, die Inflation steigt, zahlreiche Verbraucher haben Weihnachten aufgrund steigender Öl- und Heizkosten längst abgeblasen.

Andere wiederum hoffen noch auf ein Wunder, und das hat sich ebenso unbemerkt aufgebaut wie der Sturm über der Karibik. In 25 Ziehungen der Lotterie Powerball hat es keinen Sieger mehr gegeben, der Jackpot für die Mittwochsziehung ist auf einen Rekordwert von 340 Millionen Dollar angewachsen. Selbst wer sich, in den USA durchaus üblich, für eine Sofortauszahlung entscheidet, kann sich über 164 Millionen Dollar freuen, nach Abzug von Steuern über etwa 120 Millionen.

Der Run auf die Verkaufsstellen hat begonnen. Abergläubige Amerikaner fahren hunderte von Kilometern, um ihren Tippschein genau da zu kaufen, wo vor drei Jahren der Bauarbeiter Jack Whittacker seinen Schein gekauft hat, der dann mit fünf Richtigen und Zusatzzahl den bis dato größten Lottogewinn von 314,9 Millionen Dollar einfuhr. Der betreffende Laden heißt C&L Super Serve und befindet sich im Staat West Virginia – ausgerechnet in einer kleinen Ortschaft mit dem Namen Hurricane.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc
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