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Alt 17-10-2005, 21:07   #342
Starlight
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Konkurswelle in Amerika

Im Quartalsbericht der Citigroup fällt eine Zahl erst auf den zweiten Blick ins Auge. Nach Abschreibungen von 124 Millionen Dollar im abgelaufenen Quartal stellt man sich für Q4 auf 310 Millionen Dollar ein, die der Bank im Zusammenhang mit bankrotten Kunden flöten gehen. Grund ist eine Änderung im Konkursgesetz ab diesem Montag.

Künftig nämlich soll es den hochverschuldeten Amerikanern – dem einzelnen Bürger und den Unternehmen – schwerer fallen, Konkurs anzumelden. Im Prinzip ist es höchste Zeit für eine Straffung der Gesetzte, denn Konkurs und Bankrott sind vielen in den USA längst keine besonders unangenehmen Worte mehr. Aus der Tatsache, dass sich der mit Krediten überladene Durchschnittsverbraucher immer häufiger ins wirtschaftliche Aus konsumiert hat, ist über die Jahre eine ganze Konkursbranche entstanden, die in Bussen und U-Bahnen mit bunten Postern dafür wirbt, doch Konkurs zu erklären und einen finanziellen Neustart zu machen.

Recht einfach wurde es dem verzweifelten Verbraucher bisher gemacht, und den Unternehmen auch. Letztere durften unter dem viel zitierten „Chapter 11“ so lange restrukturierten wie sie wollten – die Fluggesellschaft United Airlines ist zur Zeit im dritten Jahr ihres Konkurses. Ab sofort sollen einige Schranken gelten: Eine Restrukturierung unter „Chapter 11“ kann beispielsweise höchstens 18 Monate dauern. Besonders unangenehm für die bisher stets verwöhnten Manager in Corporate America: Die Bonuszahlungen in der Führungsetage werden künftig drastisch eingeschränkt.

Für den zahlungsunfähigen Bürger unterdessen gilt, dass die für ihn zuständigen „Chapter 7“ und „Chapter 13“ nicht mehr zwingend die gesamte Schuldenlast beseitigen, sondern dass erschwerte Auflagen gelten, nach denen Außenstände zumindest teilweise abzutragen sind.

So sehr die aktuelle Gesetzesänderung, die ab diesem Montag gilt, also auf breiter Front begrüßt wird, so hat sie doch eine unangenehme Begleiterscheinung. Wer seit Monaten in finanziellen Schwierigkeiten ist, hat spätestens bis zum vergangenen Wochenende reagiert – die Zahl der Konkursmeldungen ist in den letzten drei Tagen so hoch wie nie zuvor. Eine Auswahl:

Zahlungsunfähig nach „Chapter 11“ nennen sich am Montagmorgen der Teddybär-Hersteller The Boyds Collection, die Sofa- und Möbelfirmen Richter Furniture, O'Sullivan Industries und Levitz Home Furnishings, die Restaurantkette Gardenburger, der Leiterplatten-Hersteller Photocircuits Corp., der Krispy-Kreme-Franchisenehmer Freedom Rings und die regionale Fluggesellschaft Mesaba Aviation.

Mesabas Partnerfirma Nothwest Airlines hat schon vor zwei Wochen Konkurs angemeldet, fast zeitgleich mit dem Konkurrenten Delta Air Lines. Vor einer Woche machte der Automobilzulieferer Delphi Schlagzeilen mit „Chapter 11“, und wenige Tage zuvor war es GM Holdings, der frühere Besitzer des Sands-Casinos im Spielerparadies Atlantic City.

So viele Konkurse auf einmal? Der Schein trügt. Was vor allem den Banken viel mehr Sorgen bereitet, ist die Liste der privaten Schuldner. Nicht nur die Citigroup rechnet mit höheren Verlusten im vierten Quartal. Die Wall Street konzentriert sich auf die drei größten Kreditkarten-Banken American Express, Capital One und Bank of America. Deren Außenstände sind nämlich am schwersten einzutreiben, wenn sich ein überlasteter Konsument mit leerem Portemonnaie einmal zahlungsunfähig nennt.

Wie stark solche Fälle zunehmen, zeigen die aktuellen Zahlen von Lundquist Consulting, wo man in der letzten Septemberwoche – zwei Wochen vor Änderung des Konkursgesetzes – ganze 68 000 Konkurse in den USA gemessen hat. Dem gegenüber stehe ein Wochendurchschnitt von normalerweise 30 000 Fällen. Insgesamt haben in den USA in diesem Jahr bereits 1,3 Millionen Bürger die Karten offengelegt, das sind 14 Prozent mehr als im Vorjahr.

Schuld an der Tendenz sind die bekannten Faktoren: Hohe Preise für Energie, steigende Zinsen, ein anhaltend schwacher Arbeitsmarkt und nicht zuletzt ein abkühlender Häusermarkt, dessen Wertsteigerungen mit der emporschnellenden Verschuldungsrate nicht mehr Schritt halten kann.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc
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