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Alt 11-10-2005, 19:28   #335
Starlight
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Mythen rund ums Geld

Schon wieder die Chance meines Lebens: Der freundliche Mann aus Nigeria muss dringend 600 Millionen Dollar aus dem Land schleusen, am besten über mein Konto. Wenn ich helfe, darf ich 25 Prozent behalten… was für ein Deal. Den Email-Betrug der „Nigeria Connection“ kennt mittlerweile fast jeder, doch ist die Geschichte nur eine der vielen Legenden, die sich in Amerika um das liebe Geld ranken.

Nicht alle kennen die Geschichten, nicht alle können damit umgehen. Laut einer aktuellen Umfrage glauben 10 Prozent der Amerikaner, schon einmal auf Betrügereien, oder zumindest auf so genannte „urban legends“ hereingefallen zu sein, auf die Mythen also, die in Büro und Kneipe immer weiter erzählt werden, an denen aber nichts dran ist. Die Website snopes.com ist einigen dieser Legenden auf den Grund gegangen, und die Sammlung ist beeindruckend.

Während der Geldtransfer aus Nigeria – oder wahlweise aus dem Irak, aus Afghanistan, oder sonstigen Krisengebieten – mit seiner jeweiligen Millionenrendite zu den bekanntesten Internet-Scams gehört, gibt es noch viele weitere aus dem Themenbereich Geldbeschaffung und Geld sparen. Ersteres hat natürlich einen großen Reiz, zumal wenn der Aufwand gering ist. In Hotel- und Motelzimmern durch die bereitliegende Bibel blättern, ist beispielsweise kein großer Stress – und durchaus lohnend, wenn man einem weiteren bekannten Gerücht Glauben schenkt. Demnach sollen die Anhänger der evangelischen Glaubensgemeinschaft Gideons Intenrational 100-Dollar-Scheine in den Büchern verstecken, um gläubige Leser zu belohnen. Leider ist das Quatsch, das gute Buch macht weiterhin nur sellisch reich.

Zahlreiche Legenden spinnen sich um das Sparen – mehr oder weniger legal. Scheckbenutzern, in den USA ist der Scheck Zahlungsmittel Nummer Eins, wird geraten, mit roter Tinte zu schreiben. Das soll die Maschinen in der Bank austricksen und den Scheck in die zeitaufwändige manuelle Erfassung bugsieren. Dem Zahlenden soll das zwei Tage Zeit geben, doch ist da nichts dran. „Für unsere Maschinen ist die Farbe der Tinte unwichtig“, klärt Tracey Mills von der American Bankers Association, dem zuständigen Branchenverband.

Mehr als nur Zeit kaufen will, wer ganz und gar das Zahlen der Einkommenssteuer verweigert. Das könne man gut, schließlich sei die Erhebung von Steuern streng genommen verfassungswidrig, heißt es in einem weiteren Mythos. Man müsse nur ein bestimmtes Formular ausfüllen, das vom Staat nicht angefochten könne und werde. Tatsächlich scheinen ein paar Leichtgläubige diesen cleveren Schritt zu gehen. Sie kommen dann ins Gefängnis, weil Steuern in den USA weder illegal sind noch ein entsprechendes Formular existiert.

Und auch das Konzept, dass High-School-Absolventen während der jährlichen Spring Break regelmäßig zu nutzen versuchen, geht nicht auf. So sollen sich einige allen möglichen Luxus gönnen – Kreuzfahrt, Stripper, Alkohol –, und sich locker auf den Mythos berufen, dass ihre Kreditkartenschulden nicht eingetrieben werden können. Tatsächlich gelten Schüler in den USA erst ab 18 als finanziell haftbar. Doch vergessen die Übeltäter offensichtlich, dass nicht nur sie selbst den Kreditkartenantrag einst unterzeichnet haben – sondern auch ein Elternteil. Gezahlt wird die Rechnung nachher doch, und der Haussegen dürfte eine Zeit lang schief hängen.

Andere Mythen passen ins amerikanische Umfeld, weil nirgends sonst so viele Paranoide leben wie im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Viele von ihnen vertrauen der Legende, dass man Kreditkarten auf der Rückseite besser nicht unterschreiben sollte, um sich vor Identitätsdiebstahl zu schützen. Doch das haut nicht hin, wie Tracey Mills von der Bank warnt. Im Gegenteil: Viele Läden werden nicht unterschiebene Karten nicht akzeptieren, und eine geklaute Karte ohne Signatur lässt dem Dieb freie Hand bei Einkäufen.

Identitätsklau sorgt auch manchen Hotelgast nach Lektüre einer anderen mythischen Warnung. Danach sollen die Karten für das Zimmerschloss alle möglichen privaten Informationen über den Hotelgast enthalten – inklusive der Kreditkarten- und Bankverbindung. Das ist nicht wahr, wenngleich es einmal so war. So fusst die Legende auf Ermittlungen der Polizei von Pasadeno, Kalifornien. Die hatte provate Daten auf einer Hotelkarte gefunden, doch liegt der Vorfall mehr als zehn Jahre zurück. Seither sind die Magnetstreifen längst überarbeitet, außer der Zimmernummer und in manchen Hotels einer diskreten Kundennummer ist auf der Karte also nichts drauf. Größters Ärgernis für Hotelgäste ist also immer noch der Fall, dass die Karte eine Minute nach Mitternacht den Eintritt ins Zimmer verwehrt und der von des Tages Mügen Ermattete noch einmal zur Rezeption stiefeln muss zwecks neuer Programmierung.

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