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Alt 06-10-2005, 20:26   #331
Starlight
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Amerikas CEOs werden pessimistisch
Die erstaunlichste Zahl des Tages lautet 4,0 Prozent. So stark sind die Umsätze im amerikanischen Einzelhandel im September gestiegen, wie der Branchenverband ICSC mitteilt. Das ist besser als erwartet – vor allem nach Hurrikans und hohen Öl- und Benzinpreisen –, doch bewegt sich die Wall Street nur zaghaft ins Grüne.

Zu größeren Gewinnen, selbst nach zwei äußerst schwachen Tagen, haben die US-Börsen aber auch keinen Grund. Denn einerseits sind die Einzelhandelsdaten äußerst durchwachsen. Neben überraschend starken Gewinnern wie den Branchenriesen und den Discountern, gibt es nämlich durchaus Enttäuschungen, zum Beispiel aus dem Modebereich und aus den Läden, die überwiegend in Malls angesiedelt sind.

Zum anderen haben ja auch nicht alle Umsätze unter den Hurrikans gelitten. Während die Baumärkte vor allem dank Katrina und Rita massenweise Kunden fanden, gingen bei anderen Läden Lebensmittelkonserven, Trinkwasser und Batterien weg wie nie. Diese Faktoren werden schon im nächsten Monat wieder aus den Bilanzen verschwinden, entsprechend dürften die Zahlen wieder sinken.

Und noch eine schlechte Nachricht: Selbst wenn die Einzelhandeslumsätze zur Zeit überraschend stark gemessen werden, werden immer mehr Käufe per Kreditkarte getätigt. Und das sorgt langfristig für Probleme, der Verschuldungsgrad der Amerikaner ist so hoch wie nie zuvor in der Geschichte. Der Verbraucher wird seine Ausgaben folglich bald reduzieren müssen, ob er will oder nicht.

Freiwillig kürzer treten tun derweil die Unternehmen. Zu diesem Urteil kommt der Business Roundtable, ein Runder Tisch der führenden CEOs aus Corporate America. Die nennen die Auswirkungen der Hurrikans „bedeutend, wenn auch nicht überwältigend“. Dazu einige Zahlen. Katrina und Rita haben 145 000 Unternehmen angegriffen oder zerstört, was 1,7 Prozent der US-Unternehmen entspricht. 2,4 Millionen Jobs sind betroffen, und damit 1,9 Prozent des Arbeitsmarktes, sowie 76 Milliarden Dollar an Löhnen und Gehältern, etwa 1,5 Prozent der US-Menge.

Die Folgen der Unwetter – und der hohen Rohstoffpreise – bekommen indes zwei Drittel der US-Unternehmen zu spüren, wie der Business Roundtable ermittelt hat. Die meisten CEOs rechnen damit, dass ihr Geschäft zwischen drei und zwölf Monaten eingeschränkt sei. Außer den offensichtlichen Gründen führen sie auch Schwierigkeiten bei betroffenen Zulieferern an sowie Schäden an der Infrastruktur, die vor allem den Import und Export über die Golf-Häfen betreffen.

Die Konsequenzen sind klar: Die Unternehmen rechnen mit geringeren Umsätzen, und folgferichtig schränken sie zunächst ihre Ausgaben ein. Hatten vor dem Sturm noch 54 Prozent der CEOs erklärt, die Kapitalinvestitionen in den nächsten sechs Monaten erhöhen zu wollen, sind es jetzt nur noch 40 Prozent. Damit ist eine jüngste Einschätzung der Fed hinfällig: Die Notenbanker hatten nach der Katastrophe an der Golfküste beruhigend erklärt, dass höhere Kapitalausgaben die schwächeren Verbraucherausgaben auffangen würden, wenn diese zu sehr unter hohen Energiepreisen litten.

Solche Ungereimtheiten wiederum haben die CEOs nun in ihrer aktuellen Umfrage über den Konjunktur-Optimismus berücksichtigt. Der Index fällt von 95,9 Punkten vor dem Sturm auf nur noch 88,2 Punkte. Das Wirtschaftswachstum für 2005 prognostizieren die Chefs nur noch mit 3,3 Prozent statt der bisherigen 3,5 Prozent.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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