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Alt 03-10-2005, 20:25   #327
Starlight
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Was bringt der goldene Oktober?

Jeder neue Monat bringt an der Wall Street die selbe Frage mit sich, so auch der Oktober: War der goldene Herbstmonat im historischen Rückblick eher ein guter oder ein schlechter Monat. Schlussfolgerungen aus solchen Überlegungen sind zwar stets höchst umstritten, angestellt werden sie dennoch – auch an diesem Montag.

Dabei hilft es sicherlich, dass der Oktober historisch gesehen schon einmal besser ist als der eben abgehakte September. Gute Nachrichten, so unsicher sie auch sind, werden von Anlegern wie Analysten immer für realistischer genommen als schlechte, vom Optimismus lebt schließlich der Handel an der Wall Street. Umso besser, dass der historisch schwache September am Freitag mit dem ersten Dow-Gewinn seit sieben Jahren zu Ende ging – es muss jetzt wohl noch weiter aufwärts gehen.

Genau das ist zwar eine gewagte These, denn vor Beginn der Ertragssaison sind der US-Konjunktur und Corporate America so viele Unglücke passiert, dass ein Crash jederzeit denkbar wäre. Da wären schließlich zwei verheerende Hurrikans mit tausenden von Opfern und Schäden von bi szu 200 Milliarden Dollar. Da wären ein schwacher Arbeitsmarkt sowie hohe Preise für Öl, Benzin und Gas. Da wären in direkter Folge ein historisch niedriges Verbrauchervertrauen zum Start ins vierte Quartal, das bis dato vor allem vom Weihnachtsgeschäft profotiert hatte. Dieses aber könnte in 2005 so schwache ausfallen wie seit Jahren nicht mehr.

Doch die Optimisten an der Wall Street wollen das nicht hören. Viel lieber verweisen sie auf alte Börsenweisheiten. „Sell in May and go away…“, das habe schließlich auch wieder einmal gestimmt, heißt es auf dem Parkett. Tatsächlich: Am zweitletzten Handelstag im Mai hatte der Dow bei 10 542 Punkten geschlossen, am heutigen ersten Oktober-Handelstag notierten die Blue Chips zur Mittagsstunde genau sechs Punkte niedriger.

Umso erstaunlicher ist, dass manche Experten von guten Chancen auf einen Rebound sprechen. Eine Erholung von was? Aus einer aktuellen Empfehlung der Business Week, wird der Investor beispielsweise nicht schlau. Zumal der Optimismus von Kolumnistin Amey Stons ohnehin auf zahlreiche aus der Luft gegriffenen Bedingungen baut. Wenn der Ölpreis falle, heißt es da, und die Fed die Zinsen nicht weiter anheben, dann… tja, das ist eigentlich egal. Denn warum der Ölpreis nach Katrina und Rita und vor Beginn der Heiz-Saison fallen sollte, ist nicht klar. Ebenso wenig, warum die Fed ihre seit anderthalb Jahren intakte Politik plötzlich abbrechen und trotz einer anderslautenden Presseerklärung vom September die Zinskurve nun anhalten sollte.

Analysten oder Kolumnisten, die ihren Optimismus für einen Monat oder ein Vierteljahr auf solche Annahmen bauen, sind nicht seriös. Wenn sie dann noch einen Fond-Manager zitieren, der 3M für einen heißen Tip hält, und einen anderen, der statt Wal-Mart lieber Target kauft und darüberhinaus den Konsumriesen Procter & Gamble empfiehlt, dann klingt das ganze nach einem sehr unglücklichen Versuch, Optimismus verbreiten zu wollen, ohne folgsamen Lesern/Anlegern einen größeren Schaden zuzufügen. Letztendlich sollten sich Magazine solche Kolumnen ebenso sparen wie die Wall Street auf Monats-Statistiken verzichten sollte.

Ob der Oktober nun ein guter oder ein schlechter Auftakt in das vierte Quartal wird, lässt sich am Montagshandel nicht ablesen. Die Indizes haben im Plus eröffnet, handeln am Mittag mit Verlusten und könnten sich vor der Schlussglocke am Montagnachmittag doch jederzeit wieder neu entscheiden.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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