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Alt 08-09-2005, 09:02   #991
stronzzo
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Hier der Artikel in heutigen Ausgabe des Münchner Merkurs:
Ein Prosit der Peinlichkeit
Oktoberfest: Warum sich Bayern und Preußen nicht lieben
Berlin/München - Es gibt Patente für Kugelschreiber, Klobrillen und Kohlekraftwerke. Jede halbwegs sinnvolle Errungenschaft der Menschheit ist rechtlich geschützt. Nur das Münchner Oktoberfest scheint Nachahmern hilflos ausgeliefert zu sein. Anno 1810 von König Ludwig I. und Prinzessin Therese erfunden, muss sich die Festivität einer immer größeren Zahl von Imitaten erwehren.
Der wohl berühmteste Nachbau des Münchner Oktoberfestes ist zurzeit am Alexanderplatz in Berlin zu besichtigen. Jahr für Jahr lassen der Freistaat und Löwenbräu dort im Dienste der Völkerverständigung ein paar Fässer anrollen. "Nichts ist so heiß wie die heimliche Liebe zwischen Bayer und Preuß", reimte Staatskanzleichef Erwin Huber, als er am Dienstagabend mit drei Schlägen das erste Fass anzapfte. Klaus Wowereit merkte bald, dass es mit der Liebe nicht weit her ist. Ausdrücklich bat Huber den Regierenden Bürgermeister von Berlin, auf ein Grußwort zu verzichten, "obwohl ich weiß, wie freizügig und großzügig Sie mit Grußworten umgehen" - eine Anspielung auf Wowereits umstrittene Einladung zu einem schwulen Fetisch-Fest.

Der "regierende Partymeister", wie die Berliner ihren "Wowi" nennen, gab den Seitenhieb an seinen Amtskollegen Edmund Stoiber weiter, der sich kürzlich über die Ossi-Mentalität beklagt hatte. "Der bayerische Ministerpräsident lernt heute: Die Berliner sind nicht frustriert. Wir können tatsächlich auch lachen."

Zwei Stunden später stand fest, dass sich Wowereit leider geirrt hatte. Vielleicht lag der Irrtum aber auch auf Seiten des Gstanzl-Sängers Georg Burger. Der gab - angeblich ermuntert von der wahlkämpfenden CSU-Bundestagsabgeordneten Ilse Aigner - ein paar Reime von sich, deren Derbheit nicht allen Gästen schmeckte. Kostprobe: "Der Thierse hat sich zug'richt von de Fiaß bis zum Hals, doch dann kimmt der Kopf und der verdirbt wieder ois. Die Künast hat a Frisur beinand, da kimm i selber nimma recht mit, die schaut aus wia a Muster von a Schuhbürstenfabrik. Wir brauchen koa Kernkraft und koane Atomenergie, denn wenn's an Joschka Fischer zerreißt, simma eh alle hi."

Vor Lachen zerrissen hat es keinen der 3000 Zuhörer im Zelt, eher aus Schmach. Ehrengäste aus Politik und Wirtschaft empfanden den Auftritt als zu derb bis peinlich. "Wir bedauern das", betonte Löwenbräu-Vorstand Karl-Heinz Knoll. "Man lädt nicht Gäste ein, um sie zu beleidigen. Gesamtprogramm seien jedoch andere. Ein Minister stellte zu Recht die Frage, weshalb die Bayern kaum eine Gelegenheit ausließen, um sich in Berlin zu blamieren. Es ist nämlich noch nicht lange her, da eröffnete Finanzminister Kurt Faltlhauser an der Spree ein Maibock-Fest mit noch peinlicheren Männerwitzen über "freiheitsliebende Ukrainerinnen". Mit Stoiber als Kanzler werde "das Bier endlich billiger und die Frauen werden williger . . ."

Über die Kanzlerkandidatin wagte keiner zu dichten. Angela Merkel wurde im Berliner Bierzelt mit Beifallsstürmen und Defiliermarsch begrüßt. "Die Lebensart der Bayern gefällt mir sehr gut. Die können arbeiten und Feste feiern", sagte sie nach einem Schluck aus der Maß. Ein paar Minuten später die nächste Peinlichkeit: Weil die CDU-Chefin die Oktoberfest-Bühne verließ, ohne zur Begrüßung der Gäste auch nur einen einzigen Satz zu sagen, gab es Pfiffe und Buh-Rufe.

Es war nicht unbedingt das "Friedensfest", von dem Gastgeber Erwin Huber gesprochen hatte. "Nicht ganz ungefährlich, unsere Bräuche zu verpflanzen", scherzte ein Trachtler aus dem Loisachtal, nachdem auch noch ein Besucher beklagt hatte, er sei von einem "Peitschenknaller" (Goaßlschnalzer) verletzt worden. Womöglich ist jetzt der Gesetzgeber gefordert. Wer Oktoberfeste in Berlin nachmacht oder fälscht oder nachgemachte oder verfälschte in Umlauf bringt, wird von Wowereit mit einem Grußwort bestraft.
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Das Glück zwinkert oft nur mit einem Auge. Gruß Stronzzo
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