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Alt 29-08-2005, 20:25   #298
Starlight
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Ratespiel um Katrina

Das Geschreih ist groß, aber nicht an der Wall Street. Der Monster-Hurrikan Katrina versetzt die Bären in Wallung, lässt den Aktienhandel aber kalt. Wo ist sie hin, die berüchtigte Angstneurose der Börsianer?

Selbst der Ölpreis reagiert auf die drohenden Produktionsausfälle kaum und rutscht in den ersten Handelsstunden unter die Marke von 68 Dollar pro Fass. Dabei wird im Golf von Mexico rund 25 Prozent des amerikanischen Öls gefördert. Einer Antwort nie verlegen, liegt die Erklärung für das wundersame Verhalten der Kapital- und Energiemärkte schon parat: „Der Effekt von Katrina wurde vorweggenommen.”

Obgleich die Schäden noch schwer abzuschätzen sind, sei das Schlimmste überstanden. Was sich nach einer überzeugenden Erkenntnis anhört, ist vorerst nichts weiter als ein Ratespiel. Statt sich in Geduld zu üben, versuchen Analysten das unmöglich zu erraten. Manchmal muss man sich über die Vergesslichkeit der Börsianer wundern. Erst Tage nach dem Wirbelsturm Dennis wurde bekannt, dass BPs Thunder Horse-Bohrinsel stark beschädigt wurde.

Dass Katrina das Zentrum von New Orleans verfehlt hat, ist eine zweifelsohne erfreuliche Nachricht. Ob der Sturm größere Schäden in der Öl-Industrie angerichtet hat, wird sich aber erst in den nächsten Tagen zeigen.

Hurrikan Ivan, der im vergangenen September durch die Region fegte, belastete über viele Monaten hinweg die Förderquoten. Erschwerend kommt hinzu, dass diesesmal zwei große Raffinerien gelähmt werden. Chevrons Pascagoula- und Exxons Baton Rouge-Raffinerie produzieren täglich rund 900.000 Fass. Der Benzin-Ausstoss durch Katrina wird durch Katrina um kurzfristig 1,8 Millionen Fass reduziert. Damit fällt rund 10 Prozent der täglichen US-Produktion aus.

Kein Beinbruch, wären die Lagerbestände nicht im Vorfeld des Sturms stark abgeschmolzen. Zudem zieht die Nachfrage im Vorfeld des verlängerten Labor-Day-Wochenendes meistens kräftig an. In anderen Worten: Benzin droht kurzfristig teurer zu werden. Jeder Cent, um den Treibstoff an den Tankstellen teurer wird, kostet die Verbraucher rund 1,5 Milliarden Dollar.

Bereits Mitte August warnte Wal-Mart, dass das Umsatzwachstum durch die hohen Energiepreise gebremst wird. An eine Freigabe der strategischen Öl-Reserven von Uncle Sam ist kaum zu denken. Laut der Internationalen Energiebehörde liegt der Öl-Lagerbestand der Regierung über den vorgeschriebenen neunzig Tagen. Präsident George Bush betont jedoch, dass eine Freigabe nur in Frage kommt, wenn es zu einem Ausfall ausländischer Öl-Importe kommt.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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