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Alt 26-08-2005, 20:37   #297
Starlight
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Die Warnung zum Abschied

Doktor Greenspan weigert sich die Angstneurose der Wall Street zu behandeln. Statt den zittrigen Börsianern eine nervenberuhigende Impfung zu verpassen, verschreibt der mächtige Notenbanker ein Aufputschmittel.

„Der boomende Immobilienmarkt ist ein wirtschaftliches Ungleichgewicht das üble Folgen für die Konjunktur haben kann”, warnt Greenspan in seiner Rede in Jackson Hole, Wyoming. Die Immobilienpreise seien nicht zuletzt deshalb hoch, weil Investoren geringe Risikoprämien akzeptieren. Sollte die Risikobereitschaft jedoch sinken, und Anleger verlangen höhere Renditen, droht ein böses erwachen.

Die Preise würden in Folge dessen sinken und Kredite müssten liquidiert werden. Was nach reichlich vorhandener Liquidität aussieht, würde schlagartig versickern. „Die Vergangenheit lehrt, dass die Zeit nach einer längeren Phase niedriger Risikoprämien meist schwierig ausfällt”, zog Greenspan Bilanz.

Mit seinen ungewöhnlich deutlichen Worten giesst der bald in Ruhestand gehende Notenbanker Öl ins Feuer. Statt in Anbetracht der hohen Energiepreise und den Gefahren einer Konjunkturabkühlung ein Ende der Zinsanhebungen zu signalisieren, wird ein weiteres Schreckgespenst aus dem Hut gezaubert.

Dass das Verbrauchervertrauen sinkt, die Auftragseingänge der Industrie enttäuschen und der IWF vor einem Abschwung in Asien warnt, scheint Greenspan kaum zu stören. Selbst der Immobilienmarkt hat zunehmend Sand im Getriebe. Während die Durchschnittspreise für Neubauten seit Jahresauftakt sinken, sackten die Verkäufe von Altbauten im Juli um 2,6 Prozent ab. Auch der Bestand an zu verkaufenden Häusern ist seit Monaten am steigen.

„Immobilien sind nicht mehr glühend heiss, sondern nur noch heiss”, beurteilt der Bau-Konzern Toll Brothers die Lage. Ein Ergebnis, zu dem selbst der Verband der Immobilienmakler kommt. Doch was läuft wie eine Ente und schwimmt wie eine Ente, muss nicht zwingend eine Ente sein. Greenspans Werk ist erst vollendet, wenn die Zeichen einer Abkühlung eindeutig auszumachen sind.

Wenigstens zeigt sich „Mr. G.”zuversichtlich, dass die Adjustierung am Immobilienmarkt graduell vollzogen werden kann, ohne dabei in eine Rezession abzurutschen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Notenbank an der Zinsfront nicht über ihr Ziel hinausschiesst – wie in der Vergangenheit oft geschehen.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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