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Wer wird der neue Greenspan?
Eine Ära geht zu Ende. Seinen letzten Rechenschaftsbericht vor dem Kongress hat Alan Greenspan bereits hinter sich, und am Freitag wird er zum letzten Mal das jährliche Fed-Symposium in Jackson Hole, Wyoming, eröffnen. Dann folgen noch zwei Fed-Sitzungen, bevor der oberste Notenbanker im Januar in den Ruhestand gehen… könnte.
Was genau im Januar passiert, ist zur Zeit bekanntlich offen. Die Bush-Regierung möchte nur allzu gerne an dem Fed-Chef festhalten, der sich in den letzten Jahren als zuverlässiger Unterstützer selbt höchst umstrittener Maßnahmen erwiesen hat. So zuverlässig, dass Greenspan hin und wieder in den Verdacht geriet, seine Neutralität aufgegeben und ins Regierungslager gewechselt zu haben. Man denke nur an die Unterstützung des Fed-Chefs für des Präsidenten milliardenschwere Steuersenkungen. Dass sich „Mr. G“ einst nicht für niedrigere Abgaben, sondern für eine Senkung des Haushaltsdefizits ausgesprochen hatte, ist nur noch eine ferne Erinnerung.
Doch so sehr Bush seinen Fed-Chef halten möchte, unproblematisch ist das nicht. Greenspan hat die Altergrenze für seine Position überschritten, eine abermalige Verlängerung seiner Amtszeit ist nicht möglich. Seit geraumer Zeit kursieren Gerüchte, wonach George W. Bush nun die Nominierung eines Greenspan-Nachfolgers hinauszögern und so den Alten zumindest als Interims-Chef behalten könnte – doch das würde seinen Abschied höchstens um einige Monate verzögern.
So stellt sich weiter die Frage: Wer kommt nach Greenspan? Drei Kandidaten sind im Gespräch, und alle drei werden am Wochenende in Jackson Hole sein. Die Wall Street wird ein Auge auf alle drei haben, zumal Experten zur Zeit keine klare Präferenz haben. Mit allen dreien dürfte auszukommen sein, immerhin sind die Kandidaten jeweils seit Jahrzehnten in hohen finanzpolitischen Positionen tätig.
Da wäre zum einen Ben Bernanke, der lange als aussichtsreichster Greenspan-Nachfolger galt. Des alten Fed-Chefs Vize wechselte allerdings Anfang dieses Jahres ins Weiße Haus, wo er als Bushs wichtigster Wirtschaftsberater fungiert. Von Bernanke weiß die Wall Street, dass er der Fed gerne die Annahme eines offiziellen Inflationsziels aufdrücken würde, an dem die künftige Zinspolitik auszurichten wäre.
Ein weiterer Kandidat für die Greenspan-Nachfolge ist Glenn Hubbard, der Rektor der Columbia University Business School, der Präsident Bush in dessen erster Amtszeit half, die Steuersenkungen durch den Kongress zu bekommen. Ebenfalls im Rennen ist Martin Feldstein, ein Harvard-Professor und der aktuelle Präsident des National Bureau of Economic Research. Feldstein diente bereits unter Präsident Reagan, aus dessen Regierung er im Streit um das hohe Bilanzdefizit ausschied. Dass Feldstein im Vorstand der zuletzt unter Beschuss geratenenen American International Group sitzt, hat seinem Ansehen zwar geschadet, Experten, unter anderem vom angesehenen Cato Institut, sehen die Chancen für alle drei möglichen Greenspan-Nachfolger allerdings noch immer etwa gleich groß.
Die Entscheidung darüber, wer ab nächstem Jahr Fed-Chef sein wird, liegt bei George W. Bush, der seine Wahl allerdings vom Kongress absegnen lassen muss. Dass Bush überhaupt zwischen drei Kandidaten wählen kann, scheint manchem Kritiker eine glückliche Fügung. Angesichts der wackligen Konjunktur sei es ein Wunder, dass überhaupt jemand Greenspans Posten übernehmen wolle, lästern Zyniker in Washington.
Und in der Tat: Ein neuer Fed-Chef dürfte es nicht leicht haben. Die aktuelle US-Konjunktur ist nur auf den ersten Blick stabil, getragen wird sie von einer Immobilienblase und der Bereitschaft der Verbraucher, ihre Ausgaben immer mehr fremd zu finanzieren. Beobachtern graut es seit geraumer Zeit vor einer Stagflation, der Arbeitsmarkt ist anhaltend schwach, und langfristig muss die USA ihr Import- und Exportkonzept ändern. Der wachsende Hunger der Amerikaner nach ausländischen Waren hat die Handelsbilanz auf den Kopf gestellt und den Dollar geschwächt.
Weniger Besorgnis erregend beurteilen viele Beobachter mittlerweile die Frage, ob denn Greenspans große Fußabdrücke so leicht auszufüllen seien. Greenspan dürfte zwar als einer der einflussreichsten und erfolgreichsten Fed-Chefs in die Geschichte eingehen, zahlreiche Kritiker glauben aber, dass „Mr. G“ vielleicht gar nicht so sehr ein finanzpolitisches Genie, als vielmehr zur rechten Zeit am rechten Ort war.
Dass beispielsweise unter Greenspan der größte Börsenboom aller Zeiten stattfand, lässt sich nur schwer dem Fed-Chef zuschreiben. Und dass Rezessionen unter Greenspan stets vergleichsweise mild waren, wird dadurch ausgeglichen, dass die Erholungsphasen stets langwierig und von einem schwachen Arbeitsmarkt geprägt waren.
Greenspan, so wird zum Ende seiner Amtszeit klar, mag seine Verdienste um die Finanz- und Zinspolitik der USA haben, ersetzbar aber ist er. George W. Bush mag das nicht gefallen, allein, er muss sich fügen. Ein paar Monate wird er Greenspan wohl über das offizielle Abschiedsatum hinaus halten können, doch dann muss und wird er einen Nachfolger berufen – die Märkte dürfte die Anlöse nicht allzu sehr durcheinanderbringen.
Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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