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Alt 23-08-2005, 19:27   #292
Starlight
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Beliebtheits-Studie: Erfolg schafft keine Freunde

Wenn es zur Zeit eine Branche gibt, die sich vor Geld kaum retten kann, dann ist es der Energie-Sektor. Dank hoher Ölpreise und einer scheinbar grenzenlos steigenden Nachfrage sind die Kassen von ExxonMobil & Co. gut gefüllt – doch anderswo fehlt es den Unternehmen. Beliebt sind sie nicht, wie eine aktuelle Umfrage zeigt.

Die Meinungsforscher von Gallup haben tausende von Amerikanern gefragt, welchen Unternehmen sie Respekt und Sympathie entgegenbringen. Die Ergebnisse dürften keinen wirklich erschüttern, nennenswert sind sie aber: Die Öl-Industrie hat sich erwartungegemäß den letzten Platz gesichert, wobei Gallup darauf hinweist, dass der Sektor auch bei Befragungen in der Vergangenheit nie beliebt gewesen war – aber andererseits auch nie zuvor derart unbeliebt wie heute.

Kein Wunder: Trotz eines historisch hohen Ölpreises, den der Kunde an der Tankstelle ebenso präsentiert bekommt wie am Flugticket-Schalter oder winters mit der Heizöl-Rechnung, trotz der immensen Gewinne für die Unternehmen und rekordverdächtiger Bilanzen, hat sich die Branche gerade im Rahmen eines neuen Energiegesetzes neue Steuervorteile gesichert. Zudem treibt man weiter die Öl-Suche im Naturschutzgebiet von Alaska voran und ignoriert weiterhin die internationalen Bemühungen, den gefährlichen Klimawandel zu stoppen. Bilanz laut Gallup: 20 Prozent der Bevölkerung sehen die Ölbranche in einem guten Licht, 62 Prozent sehen sie in einem schlechten Licht – das ergibt einen Punktestand von -42.

Tief im Minus notieren drei weitere Branchen, die sich nicht gerade um Sympathiepunkte bemüht haben: Die Justiz, deren gierige Anwälte längst nicht mehr im Sinner des Klienten klagen, sondern mit reißerischen Methoden möglichst viele schlagzeilenträchtige Sammelklagen anzuhäufen versuchen, notiert mit -20 Punkten auf dem vorletzten Platz.

Jeweils -18 Punkte haben die Pharma- und die Gesundheitsbranche. Während erstere zur Zeit vor allem unter dem Vioxx-Skandal leidet, dürften auch andere Punkte die Beliebtheit gedrückt haben. So dürfen die großen Unternehmen in den USA ihre Mittel zu jedem beliebigen Preis verkaufen, ohne dass Großkunden wie die steuerfinanzierte Kranken- und Sozialkasse auch nur verhandeln dürfen. In anderen Ländern müssen sich Merck, Pfizer & Co. den Gesetzen des Marktes beugen, weshalb Medikamente jenseits der US-Grenzen billiger sind, allein, importiert werden dürfen die nicht.

Weiter am Schluss der Liste stehen die US-Regierung mit einem Beliebtheitsgrad von -12 Punkten und die Film-Industrie mit einem Stand von -6 Punkten. Während die Kritik an der Bush-Regierung nicht neu ist und hier nicht weiter ausgeführt werden soll, ist der Tadel in Richtung Hollywood bisher nie so deutlich geworden. Begründet ist er indes: Die Filmemacher in Kalifornien haben seit langem Kommerz vor Kultur gesetzt, und mittlerweile hat man das Spiel zu weit getrieben. Den Dumpfsinn dieses Jahres wollte kaum noch jemand sehen; die Besucherzahlen in den Kinos sind stark rückläufig.

Nicht viel beliebter als die Filmindustrie sind indes andere Freizeitbranchen. Das Fernsehen kommt auf der Beliebtheitsskala auch nur auf -3 Punkte und ist damit immer noch besser als die Sportindustrie mit -5 Zählern. Deren Image dürfte nicht zuletzt unter den jüngsten Dopingskandalen in der Baseball-Liga gelitten haben, und auch die Tatsache, dass im letzten Jahr die ganze Eishockey-Liga ausfiel, nachdem sich Spieler und Team-Besitzer nicht über die Gehälter einigen konnten, hat wohl einige Fans gekostet.

Soweit die Verlierer. Im Mittelfeld der Beliebtheitsskala stehen die Airlines – überraschenderweise mit einem Punktestand von +11 –, und ferner die Automobil- und die Telekomindustrie. Weitere ungewöhnlich gute Platzierungen schafften die Banken und erstaunlicherweise sogar die Bilanzprüfer, die sich von den Skandalen der letzten Jahre etwas erholt haben. Von den Spitzenplatzierungen früherer Jahre ist man nach Enron, WorldCom und anderen Zwischenfällen indes noch weit entfernt.

Die Gewinner der jüngsten Umfrage finden sich im Einzelhandel, wo sowohl Kaufhäuser als auch Lebensmittelmärkte gut abschneiden. Noch besser rangieren die Lebensmittel-Erzeuger, namentlich die Landwirtschaft. Auf Platz zwei der Gallup-Liste liegt derweil die Computerbranche mit +47 Punkten.

Absoluter Gewinner mit einer Bilanz von +50 Zählern ist der Restaurant-Sektor. 58 Prozent der Befragten stehen der Branche positiv gegenüber, nur 8 kritisieren den Sektor. Gastfreundschaft kommt also weiter an, was sich indes vor allem auf Main Street zeigt – nicht aber an der Wall Street. Von den Renditen der unbeliebten Öl-Industrie können die Wirte und ihre Anleger nämlich nur träumen.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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