Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 18-08-2005, 20:33   #288
Starlight
TBB Family
 
Benutzerbild von Starlight
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 33.345
Herzlichen Glückwunsch, Google!

Bei Google wird gefeiert: Seit einem Jahr ist die Suchmaschine an der Börse notiert, und es war auf keinen Fall ein gewöhnliches Börsenjahr. Im Gegenteil: Das Nasdaq-notierte Papier mit dem Tickersymbol „GOOG“ hat sämtliche Erwartungen geschlagen, Rekorde aufgestellt und ist auf dem Weg in eine rosige Zukunft.

Dabei sah am Anfang alles gar nicht so gut aus. Das IPO der Suchmaschine, die im täglichen Gebrauch an Büro- und Heimcomputern Konkurrenten wie Yahoo oder Ask Jeeves längst abgehängt hatte, sollte es nämlich nicht allzu billig geben. Für 24,6 Millionen Aktien strebten das Management und die federführenden Banken Morgan Stanley und Credit Suisse First Boston einen Emmissionskurs zwischen 180 und 135 Dollar an.

Da jedoch schien der Anleger nicht mitzuspielen. Ein IPO im dreistelligen Bereich, so etwas hatte es seit den Neunzigerjahren nicht mehr gegeben, und wirkliche Lust auf gehypte und grotesk überbewertete Anlagen hatte man seither nicht mehr gehabt. Für 85 Dollar pro Papier ging Google letztlich an den Start, und zwar im Stile einer „dutch auction“, die an den US-Börsen recht selten durchgeführt wurde und auch seit Googles Start nur noch dreimal von vergleichsweise kleinen Unternehmen aufgegriffen wurde.

Auf 85 Dollar notierte Google allerdings nicht lange, streng genommen… nie. Die Aktie eröffnete mit etwas Verspätung am Vormittag bei 100,01 Dollar, und nach einem recht stabilen Tageshandel schloss sie bei 100,33 Dollar. Abgesehen von einem kleinen Schwächeanfall in der zweiten Woche sah die Aktie den zweistelligen Dollarbereich nie wieder.

Dafür schien das Papier auf Rekordjagd und unterwegs zu immer neuen Rekordhochs zu sein. Zweieinhalb Monate nach dem Börsengang kletterte Google über 200 Dollar. Nach zehn Monaten schließlich hatte die Aktie die 300-Dollar-Hürde genommen, zwei Wochen nachdem die Analysten der CSFB ihr Kursziel auf 350 Dollar aufgestockt hatten. Binnen weniger Tage sollten Lehman Brothers und Standard & Poor’s folgen und ihre Kursziele deutlich über 300 Dollar setzen.

Nach einer kleinen Verschnaufpause notiert Google am Jubeltag bei 285 Dollar. Das ist zwar deutlich unter dem Zwischenhoch, aber als Performance in einem ersten Börsenjahr absolut rekordverdächtig.

Und doch hat der starke Lauf des Papieres durchaus seine Berechtigung. Denn die Google Boys gaben Anlegern ständig neue Kaufgründe, was man so gar nicht kommen sehen hatte. War die Roadshow vor dem IPO noch einem Fiasko gleichgekommen, da kaum ein Analyst irgendetwas über die Perspektiven des Unternehmens herauszubekommen schien, stellte Google plötzlich eine Innovation nach der anderen vor, allesamt mit Gewinnpotenzial.

Da war zum einen Google Maps, ein Landkartenservice, der der Suchmachine die Türe zu lokalen Anzeigenkunden öffnete. Aus Google Maps wurde mittlerweile der spektakuläre Karten- und Satellitenbilder-Service Google Earth, der manchem ein wertvolles Recherche-Tool ist und manchem ein Spielzeug. Bald soll Google Earth mit GPS gekoppelt als Navigationssystem für handgehaltene Kleinrechner fungieren, die Werbemöglichkeiten damit sind kaum auszudenken.

Zu weiteren Google-Erfindungen gehörte Google-Video, mit dem Benutzer Fernsehsendungen nach Inhalt durchsuchen können, und eine Textsuchmaschine, die durch Bücher blättert. Ferner stellte Google einen Desktop-Assistenten vor, der verloren gegangenes auf dem heimischen PC findet, und mit dem Web Accelarator beschleunigen Google-User all dieser Funktionen noch.

Soviel Innovation spricht sich in der Branche herum. Die Suchmaschine gilt allgemein als erstklassiger „Think Tank“ und landete in einer Unternehmensumfrage von Boston Consulting auf dem siebten Platz der innovativen Welt-Unternehmen.

Die ausgezeichnete Marktpositionierung von Google schlägt sich nun im Aktienkurs nieder, von dessen Entwicklung keiner so profitiert wie die Gründer. Sergey Brin und Larrs Page haben seit dem Börsenstart jeweils fast 4 Millionen Papiere verkauft und damit 824,3 Millionen beziehungsweise 740,4 Millionen Dollar gemacht. CEO Eric Schmidt hat 1,4 Millionen Google-Papiere für 257,7 Millionen Dollar verkauft. Langfristig sind alle drei auf dem Weg, die ersten Google-Billionäre zu werden, und das Schönste daran ist: Da sämtliche Insider ihre Aktien nach vorher festgelegten und veröffentlichten Plänen abstoßen, reagiert die Börse nicht panisch, sondern hält das Google-Papier hoch.

Mit Neid blicken viele Börsianer indes nicht nur auf die Google-Boys selbst, sondern auf jeden, der weitsichtig (und glücklich) genug war, am IPO-Tag oder kurz danach Google-Anteile zu erwerben. Eine Mehrheit hat den kometenhaften Aufstieg von Google nur aus der Ferne verfolgt, doch werden die Papiere künftig in weiteren Portfolios vertreten sein – ob das der Anleger will oder nicht.

Denn mit dem einjährigen Börsenjubiläum hat die Suchmaschine das letzte Kriterium erfüllt, um in einige Indizes aufgenommen zu werden, darunter zunächst in den Nasdaq-100 und in den S&P-500. Index-orientierte Funds werden das Papier dann kaufen müssen, weshalb die Zahl der Google-Aktionäre demnächst wohl steil zulegen wird. Ob die Rallye derweil weitergeht, bleibt natürlich abzuwarten – solange: Herzlichen Glückwunsch!

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
Starlight ist offline   Mit Zitat antworten