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Alt 15-08-2005, 20:31   #285
Starlight
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Wal-Mart ist immer billig - auch an der Börse

Der Werbespruch von Wal-Mart ist verführerisch einfach: „Immer kleine Preise“, heißt es über den weltgrößten Einzelhändler. Zu dumm: Nicht nur Kunden, sonden auch Aktionäre des Unternehmens können davon ein Lied singen. Denn nicht nur Fahrräder und Ginger Ale sind billig, sondern auch die Wal-Mart-Papiere.

Am Montagmorgen notiert die Aktie des Einzelhandels-Giganten bei 48,70 Dollar und damit genau 30 Cent unter dem Stand von vor fünf Jahren. In der Zwischenzeit pendelte das Papier zwischen einem Tief von 44 Dollar und einem Hoch im März 2002 von 63,55 Dollar – das ist ein dürftige Bilanz, vor allem gemessen an der Performance zahlreicher Konkurrenten.

Die Aktie von Target hat sich in den letzten fünf Jahren von 26 Dollar auf 56 Dollar fast verdoppelt, und JC Penney ist von 15 Dollar auf 52 Dollar geschossen. Auffällig an den Charts der jeweiligen Aktien ist, dass Target und JC Penney seit Jahren einen recht stabilen Aufwärtstrend zeigen, während Wal-Mart mal flach handelt und mal – zuletzt seit gut 18 Monaten – weitgehend ungebremst fällt.

Zahlreiche Analysten haben daher immer wieder erklärt, dass Wal-Mart ein Schnäppchen sei – an der Börse noch mehr als an der Kasse. Zuletzt meinte Oppenheimer-Analyst Bernard Sosnick in der vergangenen Woche: „Wal-Mart ist so groß und hat eine so starke Kaufkraft, dass man die Preise dauerhaft niedrig halten kann.“ Das würde langfristig wieder mehr Kunden anziehen und Wachstum bringen – für Umsatz und Aktie.

Gerade der Umsatz hätte mehr Wachstum dringend mötig. Die Wachstumsstatistik für die letzten Jahre fällt steil ab. Stand das Umsatzplus 1999 noch bei 9 Prozent, wies man 2000 noch knapp 8 Prozent aus, in den beiden Folgejahren waren es 6 Prozent, 2003 schließlich 5 Prozent, 2004 nur noch 4 Prozent, und in diesem Jahr sollen es wie im vergangenen noch etwa 3,5 Prozent werden. So jedenfalls die aktuellsten Zahlen vor der Quartalskonferenz des Einzelhändlers, der am Dienstag vermutlich ein Update liefern wird.

Allzu viel neues erhoffen sich Experten indes nicht. Denn Wal-Marts größtes Problem, so glauben viele, ist mangelnde Flexibilität in der Produktauswahl und ein zu strenger Fokus auf eine Kundenschicht, die man als „das Herz Amerikas“ bezeichnet. Diese Kundengruppe hat nämlich immer weniger frei verfügbares Einkommen auszugeben, was nicht zuletzt an den hohen Energiepreisen liegt. Die strenge Niedrigpreispolitik hat es Wal-Mart bisher aber unmöglich gemacht, in neue Kundensegmente vorzudringen, vor allem in den Mittelstand. Andere haben das geschafft.

Der größte Konkurrent Target, zum Beispiel, bietet seine Klamotten im Schnitt 14 Prozent teurer an als Wal-Mart, hat aber dafür attraktive Stücke von namhaften Designern wie Isaac Mizrahi im Angebot. Ein Gewinnwachstum von 50 Prozent im abgelaufenen Quartal schreibt Target vor allem dem Erfolg solcher gefragter Produkte zu. Zum Vergleich: Bei Wal-Mart verirrt sich nur ein Drittel der Kunden überhaupt in die Modeabteilung, deutlich weniger kaufen dort ein.

Doch nicht nur im Modebereich gelingt es Target, ein besser betuchtes Publikum abzusprechen als der selbst ernannte Billigheimer aus Arkansas. Die breite Kundenstatistik spricht eine deutliche Sprache. Während Wal-Mart alle Altersgruppen anspricht, konzentriert sich Target auf den Sektor der ausgabefreudigeren Generation zwischen 25 und 34 Jahren. Der durchschnittliche Wal-Mart-Kunde verdient weniger als 50 000 Dollar im Jahr, der durchschnittliche Target-Kunde macht mehr als 50 000 Dollar und hat eine höhere Schulausbildung.

Dass Wal-Mart außer für billige Preise für Massenklagen wegen Diskriminierung von Frauen und Minderheiten am Arbeitsplatz bekannt ist, und dass der erhebliche Preisdruck auf Zulieferer oft fatale Folgen für kleine Unternehmen hat, dass fast alle Wal-Mart-Produkte bekanntlich aus China importiert werden und jeder neue Laden zahlreiche alteingessesene lokale Einzelhändler in den Ruin treibt, hilft dem Konzern auch nicht. Und doch dürfte ein ganz anderes Problem noch schwerweigender sein:

Wal-Mart wächst weiter, eröffnet ständig neue Filialen – allein 200 sollen in diesem Jahr in den USA hinzukommen. Viele liegen so nahe an bereits eingeführten Läden, dass sich kannibalisitsche Effekte nicht vermeiden lassen. Umso mehr rechnen Analysten mit einem Durchbruch für die Aktie, wenn sich künftig mehr Aktivitäten im Ausland abspielen, vor allem im Wachstumsmarkt China. Trotz erster Erfolgsgeschichten aus dem Raum ist indes noch lange nicht sicher, ob Wal-Mart in China eine ähnliche Erfolgsgeschichte werden kann wie in der amerikanischen Heimat. Allein auf den Konsum der Asiaten zu bauen, dürfte also zu wenig sein, um Anleger wieder anzulocken.

So zeichnet sich eines wiederum ab: Unabhängig von Ergebnissen und Prognosen bei der morgigen Quartalskonferenz dürfte es das Wal-Mart-Papier schwer haben, im Handel durchzustarten.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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