Kein Kurswechsel bei ExxonMobil
Viel Feind, viel Ehr’. Vielleicht ist das der Grundsatz, nachd dem Lee Raymond lebt. Der CEO von ExxonMobil gehört zu den meist geachteten Wirtschaftsbossen in Amerika. Er ist aber auch einer der umstrittensten, denn die Politik seines Unternehmens ist zwar profitabel, aber auch rücksichtslos – selbst im Vergleich zu anderen Öl-Firmen.
Für Raymond selbst dürfte das nebensächlich sein. Wenn der Kapitän zum Jahresende nach zwölf Jahren sein Schiff verlassen wird, dann kann er äußerst zufrieden zurückblicken. Die finanzielle Bilanz ist makellos. Vor wenigen Tagen hat ExxonMobil einen Quartalsgewinn von 7,64 Milliarden Dollar ausgewiesen. Das war der zweithöchste Quartalsgewinn, den je ein Unternehmen bilanzieren konnte, übertroffen wird die Zahl nur noch von… nun ja, ExxonMobil selbst, wo man vor einem Jahr noch mehr verdiente.
Doch führt ExxonMobil nicht nur die Quartalsgewinner-Liste an. Der Öl-Konzern ist gemessen an der Marktkapitalisierung das teuerste Unternehmen der Welt, und laut der jüngsten Forbes-Liste ist ExxonMobil auch der profitabelste Konzern in Corporate America.
Der jüngste Erfolg des Unternehmens ist zwar zum Teil dem hohen Ölpreis zuzuschreiben, doch stammt die ursprüngliche Wachstumsstrategie von Lee Raymond. Der war ursprünglich nämlich Chef von Exxon und kaufte den Konkurrenten Mobil günstig ein, als der Ölpreis bei knappen 20 Dollar lag – seither liegt ExxonMobil an der Spitze der Branche. Die Exxon-Aktie hat sich unter Raymonds Ägide verfünffacht und handelt zur Zeit nahe eines 52-Wochen-Hochs.
„Lee Raymond hat fantastische Arbeit geleistet“, fasst Energie-Analyst Jim Wicklund von der Bank of America zusammen. „In einer sehr zyklischen Branche hat er alle Rekorde gebrochen und die höchsten Renditen eingefahren.“
So ein gutes Zeugnis würden indes nicht alle unterschreiben. Lee Raymond hat viele Kritiker, vor allem unter den Umweltschützern. Dabei sind es nicht nur Aktivisten, die den Öl-Riesen immer wieder kritisieren und zu Boykotten aufrufen. Auch moderate Amerikaner, die andere Konzerne der Öl-Branche für deren Bemühungen um eine verantwortungsvolle Unternehmenspolitik durchaus loben, haben sich gegen die Nummer Eins eingeschossen.
Allerdings fährt ExxonMobil unter Lee Raymond auch einen radikalen Kurs. Nicht nur in eigenen Unternehmensberichten heißt es, dass ein Zusammenhang zwischen dem erhöhten Ausstoß von Treibhausgasen und der globalen Erderwärmung keineswegs bewiesen sei. Auch bei öffentlichen Auftritten vertritt man diese Meinung regelmäßig, ebenso in den Beratungen mit der Bush-Regierung.
Der Regierung hat ExxonMobil wiederholt wissenschaftliche Gutachten vorgelegt, die einen Zusammenhang von Schadstoff-Ausstoß und Klimakrise widerlegen – mehr als 15 Millionen Dollar hat das Unternehmen in den letzten Jahren für solche Untersuchungen ausgegeben, über deren Objektivität außerhalb des Konzern s nur gelacht wird. Konsequenterweise weigert man sich, die Raffinerien mit modernen Filtern auszurüsten oder angemessene Beträge zur Erforschung alternativer Energiequellen zur Verfügung zu stellen, wie das die Konkurrenz und vor allem BP seit Jahren tut.
Vielmehr setzt man sich bei ExxonMobil weiter für den Ausbau der Ölfelder ein und verlangt als einziger amerikanischer Energiekonzern noch immer die Bohrrechte für das Natur- und Tierschutzgebiet in der Arktis. Die Konkurrenz hat dieses Projekt längst abgehakt, nachdem internationale Proteste zu laut geworden waren.
Ein weiterer Anklagepunkt der ExxonMobil-Gegner dreht sich um eine lange zurück liegende Katastrophe: den Untergang der Exxon Valdez im Jahre 1989. Den lokalen Fischern schuldet das Unternehmen noch immer den größten Teil einer längst festgelegten Entschädigung, und trotz jährlicher Rekordgewinne im zweistelligen Milliardenbereich versucht man immer wieder, ganz aus den Verpflichtungen entlassen zu werden.
Den Kritikern wird ExxonMobil nicht dadurch sympathischer, dass all sein Handeln nicht nur von der Öl-verliebten Bush-Regierung sanktioniert wird, sondern dass man im Weißen Haus sogar immer mehr für die Industrie zu tun bereit scheint. Erst vor einer Woche beschloss Washington das neue Energie-Gesetz, in dem nur wenige Punkte irgendetwas mit Umweltschutz oder der Verantwortung gegenüber späteren Generationen zu tun haben. Kernstück des Gesetzes sind vielmehr weitere Steuernachlässe für die Öl-Branche, was ExxonMobil viele Millionen Dollar sparen wird und angesichts des herrschenden Defizits und der Rekordgewinne für die Konzerne völlig unverständlich ist.
Diese wertvollen Ergebnisse enger Beziehungen zu Washington dürften allerdings dafür sorgen, dass Regierung und Öl-Branche auch weiterhin eng zusammenarbeiten werden und ExxonMobil auch in der Zeit nach Lee Raymond seine Politik nicht ändern wird. Davon sind auch die Analysten überzeugt. „Rex Tillerson wird den Kurs nicht ändern“, meint Fadel Gheit vom Brokerhaus Oppenheimer mit Blick auf den aktuellen Präsidenten von ExxonMobil, der wohl Raymonds Nachfolger werden soll.
Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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