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Alt 02-08-2005, 20:15   #274
Starlight
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DaimlerChrysler und „die großen Zwei“

Die Wagen mögen ja manchmal ganz schnittig aussehen, doch wenn die amerikanische Automobilindustrie ein Hauptproblem für die Gewinneinbrüche der letzten Jahre verantwortlich machen kann, dann ist es Trägheit. Es ist lange her, dass die Industrie mit neuen Ideen aufwarten konnte, doch langsam kommen „die großen Drei“ in Schwung.

Interessanterweise kommt der Schwung ausgerechnet von DaimlerChrysler, das für manchen patriotischen Analysten seit Beginn der transatlantischen Partnerschaft gar nicht mehr zu den legendären „großen Drei“ gehört. Es seien nur ja eigentlich nur noch zwei, höhnt Wall-Street-Kolumnist Ken Kurson im aktuellen Esquire-Magazin. Dabei übersieht er, dass es – wie, zugegebenermaßen, nicht zu erwarten war – vor allem der amerikanische Chrysler-Arm ist, der für die jüngsten Gewinne des Konzerns verantwortlich ist.

Wie dem auch sei, die Deutsch-Amerikaner bei DaimlerChrysler haben nicht nur die beiden anderen Branchenriesen General Motors und Ford abgehängt, sie sorgen auch weiter für Schwung im Automobilsektor. Zunächst mit einer neuen Idee, die zugegebenermaßen allzu neu nicht ist. Nach dem Muster der japanischen Konzerne Toyota und Honda nämlich will DaimlerChrysler jetzt seine Werke umrüsten, so dass sich an verschiedenen Bändern mit verschiedenen Werkzeug-Sets nicht mehr nur drei verwandte Fahrzeugtypen herstellen lassen, wie es bisher der Fall war. Vielmehr sollen künftig ganz verschiedene Fahrzeuge aus ein und derselben Fabrik laufen, zunächst aus dem Werk in Belvidere in Illinois, in dem zuletzt Verluste verbucht wurden.

Das Konzept hinter der Umstrukturierung ist einfach: Je mehr Modelle aus einem Werk kommen, desto leichter lässt sich eine Auslastung der Kapazitäten erreichen – angesichts immenser Fixkosten ist das einer der wichtigsten Aspekte in der Branche. Den Planern bei DaimlerChrysler schweben konkrete Zahlen vor: Statt bis zu 240 000 Wagen eines einzigen Modells, die jährlich in einem durchschnittlichen Werk hergestellt werden, müssen künftig nur noch 75 000 bis 100 000 Stück abgesetzt werden, um die Kapazitätsauslastung hoch zu halten.

Angesichts eines Marktes, auf dem alljährlich mehr als hundert neue Fahrzeugmodelle in allen möglichen Klassen erscheinen, ist das ein enormer Vorteil, der schnell Kosten senkt. „Mehrere Milliarden“ werde man über die nächsten Jahre einsparen können, meint Chrysler-Produktionschef Frank Ewasyshyn.

Und dies wiederum ist zur Zeit das A und O der Branche. Das sehen Autokäufer nach wie vor beim Händler. Zwar hat der Branchenführer GM gerade seine spektakulärste Rabatt-Aktion – Mitarbeiterpreise für alle! – ausgesetzt, aber auch nur zugunsten allgemein niedrigerer Autopreise. Ford und DaimlerChrysler, die dem Margen erschütternden GM-Modell nur gefolgt waren, um dessen kurzfristigen Verkaufsvorteil auszubremsen, dürften ihre Aktionen in den nächsten Tagen ebenfalls auslaufen lassen.

Dafür werden vielleicht auch die beiden GM-Konkurrenten die Preise auf breiter Front senken wollen. Das macht Sinn, wie GM anhand einiger Kundenstudien nachvollzogen hat. Danach war ein GM-Modell bei manchem Kunden aufgrund des hohen Grundpreises schon durchgefallen, bevor der sich beim Händler über Spezialrabatte hätte informieren können.

Doch aus welchem Grund auch immer die Hersteller letztlich ihre Preise senken: Wichtig ist vor allem, dass mit den Preisen auch die Kosten fallen. Ein Umsatzplus von sensationellen 42 Prozent im Juni half GM schließlich nicht, einen Rekordverlust einzudämmen. DaimlerChrysler macht den Konkurrenten nun vor, wie mehrere Autos in weniger Werken produziert werden können und könnte damit die ganze US-Branche vor der zunehmenden Konkurrenz aus Asien retten. Wenn’s klappt, darf man auch bei kritischen Beobachtern vielleicht wieder unter den „großen Drei“ mitspielen.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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