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Alt 28-07-2005, 20:44   #270
Starlight
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Der Ärger um CAFTA

Eine einzige Stimme brachte George W. Bush am Donnerstagmorgen den Sieg. Mit 217 Ja- und 215 Nein-Stimmen hat der Kongress des Präsidenten jüngstes Steckenpferd beschlossen: CAFTA – ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und sechs mittelamerikanischen Staaten. Es hat viele Gewinner und noch mehr Verlierer.

Eigentlich hat CAFTA so viele Verlierer, dass das von der republikanischen Regierung angestoßene Abkommen selbst in den eigenen Reihen höchst umstritten war. Denn während CAFTA die US-Exporte nach Nicaragua, Costa Rica, Honduras, El Salvador, Guatemala und in die Dominikanische Republik vereinfacht und Einfuhrsteuern reduziert, öffnet es auch den dortigen Arbeitsmarkt für US-Unternehmen. Und das dürfte nicht nur konjunkturell ein Problem sein, sondern auch für zahlreiche kleine und mittelständische Unternehmen, die künftig unter noch härterem Konkurrenzdruck stehen werden.

So ist es kein Zufall, dass vor allem die großen, internationalen US-Konglomerate für CAFTA eingetreten waren. Die sind zwar in der Tat sehr exportabhängig, profitieren aber überproportional von dem Potenzial des mittelamerikanischen Arbeitsmarktes, für den im Zuge von CAFTA nicht einmal Mindeststandards festgelegt worden sind.

Amerikanische Jobs können unter dem neuen Abkommen problemlos über die Grenzen verschoben werden, ganz wie es schon bei NAFTA passiert ist, dem bereits vor zwölf Jahren beschlossenen Freihandelsabkommen mit Kanada und Mexiko.

Die Republikaner haben in den vergangenen Wochen, als in Washington und in den Medien hart für und gegen CAFTA gekämpft wurde, mehrfach beteuert, dass 30 000 mittelständische Unternehmen in den Genuss vereinfachter Exportstrukturen kommen würden. Dass eben diese Unternehmen aber vor allem unter Druck geraten, wenn Konglomerate noch billiger im Ausland herstellen können, zeigte sich schnell an der Reaktion der Betroffenen.

Zahlreiche Unternehmen, besonders aus dem Produzierenden Gewerbe, aus der Zuckerindustrie und aus der Textilbranche, heizten ihren (demokratischen und republikanischen) Abgeordneten ein. Die stellten sich schnell gegen CAFTA, das ihnen in den jeweiligen Wahlkreisen Probleme bereiten und manchen möglicherweise eine Wiederwahl kosten könnte.

Die Regierung im Weißen Haus kümmerte das nicht. Abtrünnige Republikaner wurden mit einem alten Trick auf Linie gebracht, der schon seit Jahren immer wieder zieht: Bei CAFTA gehe es vor allem um die nationale Sicherheit der USA, so Präsident Bush. Für die Sicherheit im eigenen Land sei es durchaus von Interesse, dass die kleinen Demokratien in Mittelamerika gestärkt würden – welcher Republikaner könnte da widersprechen.

Nun, einige konnten es und sicherten sich zumindest ein paar Zugeständnisse. Der Textilsektor wartet nun darauf, dass ein Teil des eben beschlossenen CAFTA-Abkommens für die eigene Branche bald wieder eingeschränkt wird. So sieht es die Planung im Weißen Haus vor. Die Zuckerindustrie harrt der bereits beschlossenen Einfuhrquoten, die eigentlich dem Abkommen widersprechen aber dessen Chancen vor dem Kongress beschädigt hätten.

Andere Unternehmen hoffen auf einen weniger harten Konkurrenzkampf mit China. Denn um die Stimmen einiger Republikaner zu sichern, beschloss man kurz vor CAFTA verschärfte Kontrollen für Importe aus dem asiatischen Raum. Die allerdings dürften sich bald schon als zu lasch entpuppen, wie Demokraten warnen.

Andere Branchen – und auch der Arbeitsmarkt und damit der Verbraucher – werden hingegen künftig in einer erneut erweiterten Freihandelszone leben. Allzu schwere Auswirkungen werden sie zunächst nicht spüren, stehen die sechs CAFTA-Staaten doch hinter nur 1,4 Prozent der Importe in die USA. Doch im Kleinen dürfte sich zeigen, dass es die Bush-Regierung wieder einmal geschafft hat, den großen Konzernen auf Kosten kleinerer Konkurrenten mehr Freiheiten einzuräumen. Dem Land ist damit nicht unbedingt ein Gefallen getan.

© Wall Street Correspondents Inc.
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