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Alt 21-07-2005, 20:45   #265
Starlight
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Rätseln rund um den Yuan

Die Wall Street liebt das Rätseln. Sind Zinserhöhungen gut oder schlecht? Kann der Immobilienmarkt zu heiß werden? Am Donnerstag steht man vor einer neuen Frage: Was bedeutet die Neubewertung des Yuan für die US-Konjunktur. Ist der Export-Nutzen größer als der Import-Schaden? Sind 2 Prozent genug?

Die Meinungen auf dem Parkett sind geteilt, und im Handel schlägt sich das nieder. Nachdem am frühen Morgen recht unerwartet die Meldung aus Peking kam, notierten – und verblieben – die amerikanischen Aktienindizes zunächst im grünen Bereich. Im Vormittagshandel rutscht die Börse allerdings ab, und nach Einschätzung der meisten Experten ist es durchaus eher China als London, was dafür verantwortlich ist.

Doch von vorne: Zunächst sind die Amerikaner einmal erleichtert, dass China nach massivem internationalen Druck endlich die Dollarbindung des Yuan aufgehoben hat. Statt an der amerikanischen Währung hängt der Yuan fortan an einem Währungskorb, dessen Zusammensetzung allerdings ein Staatsgeheimnis ist – nicht unüblich in solchen Fällen. Im Rahmen der Neubewertung legt die chinesische Währung erst einmal zu, für einen Dollar gibt es nur noch 8,11 statt der bisherigen 8,28 Yuan.

Diese Höherbewertung des Yuan macht 2 Prozent aus, und mit dieser Zahl beginnen die Interpretationen an der Wall Street. Fed-Chef Alan Greenspan spricht von einem „ersten kleinen Schritt, dem zahlreiche weitere Schritte folgen“ dürften. Der demokratische Senator Chuck Schumer aus New York, einer der prominentesten Kritiker der Yuan-Bindung an den Dollar, lobt einen „richtigen Schritt, wenn auch einen sehr kleinen“. Finanzminister John Snow sieht das ähnlich und will die weitere chinesische Währungspolitik „überwachen“.

Das ist dringend notwendig. Eine Hauptsorge, die den Markt sichtlich belastet, ist ja, dass es die Chinesen nun erst einmal bei ihrer einmaligen Aktion belassen könnte. Und das wäre in den Augen Amerikas auf keinen Fall genug. Zur Erinnerung: In der Vergangenheit hatten zahlreiche Volkswirte den Yuan um bis zu 40 Prozent unterbewertet gesehen.

Volkswirte versuchen dennoch, dem „kleinen Schritt“ etwas Positives abzugewinnen. Abgesehen von der Signalwirkung ist dabei sicher festzuhalten, dass mehrere kleine Währungsschritte sicher für den Welthandel leichter verträglich sind als eine große Neubewertung. Bei Wal-Mart und Target wird man das so sehen, und auch bei den zahlreichen anderen amerikanischen Einzelhändlern, vor allem im Textilbereich, deren Importe etwas teurer werden – aber nach ersten Einschätzungen nicht in einem Maße, das große Auswirkungen auf die Bilanz haben dürfte. Einzelhandelsaktien notieren im Donnerstagshandel dennoch schwach, nicht zuletzt aufgrund einer vergleichsweise drastisch formulierten Warnung von A.G. Edwards, wo man auf sinkende Margen hinweist.

Die selbe Logik, dass mehrere kleine Schritte einfacher verträglich sind als ein radikaler, gilt andersrum natürlich für die Exporteure, für die ein stärkerer Yuan und ein schwächerer Dollar Gold wert sind. Auch bei denen dürfte sich ein 2-Prozent-Schritt nur minimal bemerkbar machen, was aber immer noch besser ist als die bisherige Situation.

Unterm Strich, in der Summe aus Import und Export, wird die Neubewertung des Yuan mithelfen, das Handelsbilanzdefizit der USA abzubauen. Das ist gut. So einfach will es sich die Wall Street aber nicht machen. Vielmehr hält man es mit Hugh Johnson von der Vermögensverwaltung Johnson, Illington Advisors. „Lasst uns vorerst keine Luftsprünge machen“, meint der. „2 Prozent sind 2 Prozent.“

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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