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Alt 14-07-2005, 20:52   #261
Starlight
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Öl beschäftigt alle Instanzen

Öl, Öl, Öl... selbst mitten in der Ertragssaison und an einem Tag mit vielen guten Nachrichten aus Konjunktur und Hightech geht es an der Wall Street weitgehend um einen Rohstoff. Mit Öl steht und fällt der Verbraucher, mit dem Verbraucher der ganze Rest, und in Washington ist Öl zur Zeit der wichtigste Faktor nationaler Sicherheit.

Entsprechend genau verfolgt die Wall Street die Anhörungen zur geplanten Unocal-Übernahme, die in diesen Tagen nicht wie sonst üblich vor den Wettbewerbshütern stattfinden, sondern vor dem Kongress und dem Streitkräfte-Ausschuss. Dessen Abgeordnete sind auf den Barrikaden, weil bekanntlich der teilweise zur chinesischen Regierung gehörende Öl-Konzern CNOOC ein Angebot für das südkalifornische Unternehmen Unocal eingereicht hat, und noch dazu eines, das Management und Anleger nicht kalt lässt.

Satte 18,5 Milliarden Dollar bietet CNNOC für Unocal, und das sind fast 2 Milliarden Dollar mehr als ChevronTexaco zu zahlen bereit scheint. Dass sich Unocal eigentlich schon an ChevronTexaco versprochen hat, ist spätestens seit Mittwoch kein Thema mehr: CNOOC wird zwar nicht, wie erwartet, sein Angebot aufstocken, will Unocal aber für anfallende Strafen wegen Vertragsbruchs entschädigen. Das ist bei umkämpften Mergern und Übernahmen durchaus üblich und dürfte niemanden schockieren.

So würde vieles dafür sprechen, dass sich der Unocal-Vorstand, der zeitgleich mit dem Kongress tagt, für nähere Verhandlungen mit dem chinesischen Werber ausspricht. Es wäre nichts anderes als die direkte Umsetzung der Gesetze des Marktes, nach denen das höhere Angebot den Zuschlag bekommt – vor allem im Sinne der Aktionäre, die pro Papier von CNOOC 67 Dollar bekommen sollen, von ChevronTexaco aber nur 60,50 Dollar.

Wettbewerbsrechtlich ist gegen einen Unocal-Verkauf nach China nichts einzuwenden, was der Regierung in Washington große Sorgen bereitet. Öl ist zum wichtigsten Wirtschaftsfaktor überhaupt geworden, und dei Amerikaner würden gerne ihre eigene Produktion aufstocken und die Abhängigkeit von politisch labilen Öl-Exporteuren im Mittleren Osten minimieren. Ein Verkauf eigener Anlagen widerspräche diesen Bemühungen – auch wenn Unocal gar nicht so sehr im eigenen Land fördert, sondern drei Viertel seiner Produktion vor den Küsten Asiens hat.

Im Streitkräfteausschuss ist man sich ausnahmsweise über die Parteigrenzen hinweg einig, dass geographische Aspekte keine Rolle spielen sollten. Vielmehr könnten eigene Öl-Kapazitäten die Aufrüstung des chinesischen Militärs begünstigen und für Unruhe in Asien und vor allem in Taiwan sorgen. Der Gedanke, dass Öl in den Händen der friedliebenden Amerikaner besser aufgehoben wäre und international Beruhigung verbreiten würde, ist zwar lächerlich und wird von Wirtschaftsrechtlern wie Jerry Taylor vom Cato Institute abgelehnt. Doch bitten Abgeordnete um den Republikaner Chuck Grassley und den Demokraten Max Baucus ihren Präsidenten George W. Bush, notfalls von seinem Veto-Recht Gebrauch zu machen, um einen Verkauf von Unocal an CNOOV zu verhindern.

Vor solche Hürden gestellt, wird sich das Unocal-Management mit einiger Wahrscheinlichkeit schon sehr bald für einen Deal mit ChevronTexaco entscheiden, der nac Branchenangaben binnen eines Monats durchgeführt sein könnte und nicht mit kartellrechtlichen Problemen zu kämpfen hätte. Entschieden ist vorab aber noch nichts, zumal im Kongress auch Gegenstimmen laut werden.

Die Befürworter eines internationalen Handels weisen zurecht darauf hin, dass dich amerikanische Firmen mit beiden Händen in China und anderen Ländern bedienen, und dass auch amerikanische Öl-Konzerne in der Vergangenheit an britische Unternehmen verkauft werden durften.

So sorgt Öl mittlerweile nicht nur für Kurssprünge und Kursstürze, sondern auch für diplomatische Verwicklungen. Die Wall Street wird das Geschacher um Unocal und den Tageswert des schwarzen Goldes weiter im Auge behalten, denn Öl ist nach wie vor der wichtigste Marktfaktor – auch in der Ertragssaison. Schließlich ist auch im Donnerstagshandel nicht klar, ob starke Quartale für Apple und AMD die Börsen so hoch halten oder der Ölpreis, der zur Mittagsstunde mehr als 2 Dollar verloren hat und bei 57,88 Dollar pro Fass notiert.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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