Der binationale Streit um Unocal
Die Bank of America steigt bei der größten Bank Chinas ein, der chinesische Elektrohersteller Haier bietet um das US-Traditionshaus Maytag, der chinesische Öl-Förderer CNOOC bitet um Unocal, der Kongress streitet über die Bewertung des Yuan… selten hat China die US-Börsen so bewegt wie in dieser Woche.
Überhaupt scheint China immer mehr schuld zu sein an allem was die Wall Street bedrückt. Das Handelsbilanzdefizit mit dem asiatischen Partner stiegt immer steiler an, und allen der Umstand, dass die USA immer maßloser aus China importieren sorgt dafür, dass auch immer mehr amerikanische Arbeitsplätze nach Fernost abwandern.
Hauptstreitpunkt zwischen den USA und China ist und bleibt aber Öl – ohnehin das vorherrschende Thema an der Börse. Da wäre zum einen die allgemeine Problematik: Während die Sorgen vieler Auguren, die Opec sei am Ende ihrer Förderkapazitäten angelangt und auch die Reserven gingen zur Neige, wohl überzogen ist, so ist doch eines unbestritten: Die vermehrte Nachfrage aus den boomenden Volkswirtschaften sorgt dafür, dass die Spanne zwischen Angebot und Nachfrage zumindest enger wird – und damit der Preis für jedes Fass, jede Gallone und jeden Liter steigt.
Klar, dass sich die Amerikaner vor einem solchen Hintergrund und der sich nicht gerade stabilisierenden Lage in den Öl-reichen Regionen im Nahen Osten künftig immer mehr auf eigene Reserven verlassen möchten als auf Importe. Klar, dass das aber auch die Chinesen wollen, die sich jetzt für Unocal interessieren.
Was den Konzern, der 1890 als Union Oli Company of South California gegründet worden ist, so interessant macht, ist nicht allein die Tatasche, dass er als einziger nennenswerter Konzern der Branche überhaupt zum Verkauf steht. Vielmehr dürfte die Chinesen reizen, dass mehr als die Hälfte der nachgewisenen Unocal-Reserven nicht etwa im fernen Amerika liegt, sondern einen kuren Bootstrip vor den eigenen Küsten.
Fast 70 Prozent der von Unocal registrierten 1,75 Milliarden Fass Öl und 120 Milliarden Kubikmeter Gas liegen vor Thailand, Indonesien, Myanmar, den Philippines und Bangladesch.
Ein Großprojekt in Kooperation mit BP läuft gerade in Aserbaidschan an, ein weiteres im Mekong-Delta von Vietnam. Weitere Reserven hat Unocal in den Niederlanden, im Kongo und Brasilien. Die Förderaktivitäten in Nordamerika, wo man einige Stationen im Golf von Mexiko betreibt, sind angesichts des gesamten Portfolios kaum der Rede wert.
Umso ironischer ist es, dass man sich in Washington Gedanken macht, ob den Chinesen eine Übernahme von Unocal aus Gründen des Heimatschutzes verboten werden kann. Dabei sind es weniger geografische Sorgen und die Angst vor Übergriffen, die der Regierung zu schaffen machen, als vielmehr der Wert von Öl und Gas als unverzichtbarer Motor der eigenen Volkswirtschaft.
Inwieweit sich dies als Argument durchsetzen wird, einen Verkauf nach China zu verbieten, ist fraglich. Erstens haben bislang auch andere US-Firmen problemlos nach China verkaufen dürfen – darunter zahlreiche große Hightech-Konzerne wie IBM –, und außerdem haben erst am Donnerstag Fed-Chef Alan Greenspan und Finanzminister John Snow den Kongress vor restriktiven Maßnahmen gegen den asiatischen Partner gewarnt.
Zudem könnte es durchaus im Interesse von Unocal und dessen amerikanischen Aktionären sein, nach China zu verkaufen. Immerhin bietet CNOOC – das Kürzel steht für Chinese National Offshore Oil Company und wird an der Wall Street etwa „si-nuk“ ausgesprochen – mit 18,5 Milliarden Dollar satte 2 Milliarden Dollar mehr für das Unternehmen als ChevronTexaco, der als zweitgrößter US-Konzern hinter ExxonMobil bereits seit einem Vierteljahr an einer Übernahme arbeitet und sogar eine vorläufige Zusage in der Tasche hat.
ChevronTexaco hat Unocal am Freitagmorgen öffiziell die Erlaubnis erteilt, trotz der bisherigen Zusage mit CNOOC zu verhandeln. Damit könnte sich eine Übernahme sehr lange hinziehen. Für wen die 6700 Unocal-Mitarbeiter künftig fördern werden, bleibt offen.
Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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