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Alt 22-06-2005, 07:06   #242
Starlight
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Sommeranfang… kein Grund zur Freude

Sommeranfang. Am Dienstag starten auch die amerikanischen Börsen in den Sommer, wenngleich man das den Indizes nicht ansieht. Und abgesehen davon, dass statistisch gesehen nicht etwa der Sommer, sondern der Frühling die beliebteste Jahreszeit ist, ist manchem auch gar nicht zum Feiern zumute. Im Gegenteil: Mit dem Sommer dürfte für die Wall Street eine große Dürre einsetzen.

Für Anleger und Analysten ist deshalb vielleicht auch gar nicht so wichtig, dass am Dienstag der Sommer beginnt. Viel interessanter ist, dass in anderthalb Wochen das dritte Quartal des laufenden Börsenjahrs beginnt und damit das zweite Halbjahr 2005. Für dieses zweite Halbjahr stehen die Zeichen nach Meinung von immer mehr Experten nicht so gut wie sich noch vor einigen Monaten abzeichnen wollte.

Wüe düster die Lage ist, hat erst am Montag ein Konjunkturindikator bezeugt, den die Wall Street gerne als rückwärtsgewandt und wenig aussagekräftig abhakt – der es aber gar nicht unbedingt ist. Der Index der Führenden Indikatoren ist um 0,5 statt der erwarteten 0,2 Prozent gefallen, es war der fünfte negaitve Monat in Folge. Für den Volkswirt Irwin Kellner von der New Yorker Hofstra-Universität ist der Trend klar: Im zweiten Halbjahr geht es für die US-Wirtschaft und die Aktienmärkte bergab.

Kellner, das muss gesagt sein, ist kein radikaler Pessimist. Im Gegenteil: Er gesteht den Bären zu, dass es durchaus auch im Moment den ein oder anderen Grund zu Optimismus gibt. Da wäre vor allem das anhaltend niedrige Zinsniveau. Trotz der steten Zinsanhebungen durch die Fed liegt die mit den Verbraucherpreisen inflationsbereinigte Rate bei nur 1,4 Prozent und damit um rund 1,25 Prozentpunkte unterhalb des historischen Mittelwertes.

Bei den niedrigen Zinsen setzt aber auch Kellners Pessimismus ein: Der marginale Unterschied zwischen kurz- und langfristigen Zinsen bringt die Banken unter Druck, deren Gewinnmargen als Geldverleiher sinken. Entsprechend fürchtet Kellner ein nachlassendes Interesse der Branche, weiterhin Geld auszuleihen, was zu die Investitionen in Corporate America ebenso drastisch drücken könnte wie die Ausgaben im Immoniliensektor, der zur Zeit als stärkster Wachstumsindikator den Optimismus zahlreicher Investoren nahezu allein rechtfertigt.

Zur Zinsproblematik wirft Kellner – das ist nicht überraschend – die hohen Energiepreise ein, die den Verbraucher im Sommer über die Benzin- und im Winter über die Heizölpreise belasten. Unterm Strich dürfe man sich darauf einstellen, dass sich das Wirtschaftswachstum in den USA in der zweiten Jahreshälfte weiter verlangsame. Der Trend hat bereits eingesetzt: Nach einem BIP-Wachstum von 3,5 Prozent im ersten Quartal rechnet der Markt mit einem Wachstum von nur noch 3 Prozent im jetzt fast abgelaufenen zweiten Quartal.

Der Sommer beginnt für die Wall Street und damit eine Trockenzeit. Für Anleger ist das kein Anlass zur Freude.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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