Millionendeals für Verbrecher
Dass es an der Wall Street nicht immer mit rechten Dingen zugeht, ist ein alter Hut. Immer wieder klären Gerichte, dass sich CEOs und Analysten, Banker und Hedgefond-Manager mit illegalen Mitteln bereichert haben – oft jedoch können die Betroffenen gerade mit dem Schuldspruch noch mehr Geld machen.
Berühmtestes Beispiel der jüngsten Zeit: Martha Stewart. Die einstige Hausfrau der Nation war zwar schon vor ihrer Beteiligung an einem Wall-Street-Skandal um Insiderwissen und Falschaussage ein Medienstar. Seit ihrer fünfmonatigen Haftstrafe jedoch hat sich das öffentliche Interesse an der TV-Frau noch gemehrt.
Ein Buch-Deal über ihre Erfahrungen im Knast soll Stewart bis zu 5 Millionen Dollar eingebracht haben. Der Fernsehsender CBS aus dem gerade gespaltenen Medienkonzern Viacom hat gerade die zeitweise abgesagte Ausstrahlung einer Doku mit dem Namen „Martha Stewart: Hinter Gittern“ angekündigt, und das ist nichts anderes als ausgezeichnete Werbung für einen TV-Herbst voller Martha-Höhepunkte: Auf NBC, der Fernsehtochter von General Electric, wird Stewart einen eigenen Ausleger der Donald-Trump-Show „The Apprentice“ moderieren, und beim Satellitensender Sirius eine wöchentliche Talkshow.
Ein anderer Fall, in dem eine bereits im Mediensektor arbeitende Person erst durch kriminelle Aktivitäten zu wirklicher Prominenz kam, lieg bereits ein Jahr zurück. Damals war aufgeflogen, dass der in der Branche durchaus angesehene Journalist Jayson Blair mehrere gefälschte Artikel in der renommierten New York Times untergebracht hatte. Manche stimmten hinten und vorne nicht, manche waren mit erfundenen Zitaten ausgeschmückt – die New York Times musste eine Zeit lang um ihren guten Ruf fürchten.
Blair hingegen musste um gar nichts fürchten. Kaum entlassen unterschrieb „einer der besten Schreiber unserer Zeit“, wie sein Verleger meint, einen Buchdeal über den Skandal. Das Buch mit dem schadenfrohen Titel „Burning down my Master’s House”, auf deutsch etwa “Wie ich die Hütte meines Herrn abgebrannt habe”, ging mit einer Erstauflage von einer Viertelmillion Exemplaren in die Läden.
Deutlich höher dürfte die Erstauflage von Jennifer Wilbanks sein. Die Bürgermeistertochter aus Duluth im US-Bundesstaat Georgia hätte vor einigen Monaten heiraten sollen, verschwand aber Tage zuvor spurlos. Nachdem sie – ganz wie in einem Film mit Julia Roberts – aus Bindungsangst einen Bus nach New Mexico bestiegen hatte, tischte sie Polizei und FBI eine Entführungs- und Vergewaltigungsgeschichte auf, bei der sich die Balken bogen.
Nachdem sich der erste Sturm der Entrüstung in den USA gelegt und verschiedene lokale und regionale Behörden fünfstellige Kosten für eine groß angelegte Suchaktion abgeschrieben haben, darf Wilbanks ihre Geschichte bei HarperCollins aus der NewsCorp-Gruppe von Rupert Murdoch veröffentlichen. Nach Medieninformationen soll sie einen Vorschuss über eine halbe Million erhalten, mehr Geld soll fließen, wenn das Buch verfilmt wird.
Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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