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Alt 17-06-2005, 20:44   #239
Starlight
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Das Öl-Gespenst geht um

Auch am letzten Handelstag der Woche hat Öl die Märkte fest im Griff. Zur Mittagsstunde im New Yorker Handel ist das Schwarze Gold bereits über 58 Dollar geklettert – das Rekordhoch von vor drei Monaten könnte geschlagen werden. Die Panik am Öl-Markt ist allerdings weitgehend unbegründet.

Experten in New York sind sich einig, dass es unter den aktuellen Meldungen kaum einen Grund für die aggressive Öl-Rallye gibt. Vielmehr dürfte der Preis weiter auf Grund von Spekulation klettern.

Alles andere als neu ist schließlich das Grundproblem des Marktes: Nach Auffassung der meisten Rohstoff-Experten hat nämlich die Opec keineswegs die Öl-Reserven und freien Förderkapazitäten, von denen die Mitgliedsstaaten seit Monaten und auch beim jüngsten Opec-Treffen in Wien gesprochen haben. Vielmehr, so heißt es, fördere die Opec längst am Ende ihrer Möglichkeiten und habe nicht einmal die historisch üblichen Reservekapazitäten, um kurzfristige Ausfälle – zum Beispiel durch Unwetter oder regionale Krisen – abfangen zu können.

Daran dürfte nun durchaus etwas dran sein, auch wenn die Opec weiter behauptet, nan könne beliebig viel fördern und tue das nur mit Rücksicht auf die bereits völlig überlasteten Raffinerien nicht.

Dennoch ist dieser Faktor – und die Sorge um die Deckung einer langfristig steigenden Öl-Nachfrage vor allem aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung in China und Indien – bereits im Ölpreis enthalten. Jeder weitere Aufschlag am Markt ist weithin unsinnig, wenngleich er den Öl-Firmen nutzt, deren Erlöse für jedes Fass steigen.

Vielleicht ist das ein Grund, warum ExxonMobil am Freitag eine Meldung macht, die am Markt erneut für Panik sorgt und die Kletterpartie des Schwarzen Goldes zum Wopchenschluss mit antreibt. Der weltgrößte Energiekonzern erklärt, man habe in der Raffinerie in Baytown (Texas) ein technisches Problem mit einem Flüssig-Katalysator. Die Kapazität der Anlage werde dadurch zwar nicht beeinträchtigt, aber… ja, aber was? Aber am Markt könne so eine Meldung durchaus noch ein paar Cent pro Fass bringen? Gesagt, getan – die Meldung ist über die Ticker gegangen, der Ölpreis gestiegen.

Auch aus Nigeria kommen Nachrichten. Danach haben Amerikaner und Briten ihre Botschaften aus Sicherheitsgründen geschlossen. Das mag nun etwas heißen, immerhin ist Nigeria aufgrund anhaltender Unruhen im ölreichen Süden des Landes schon lange ein Krisenherd. Es mag aber auch nichts heißen, denn Amerikaner und Briten liefern keine Begründung für ihre Botschaftsschließungen und sie scheinen nach ersten Meldungen auch kein Personal auszufliegen.

Obwohl Opec-Mitglied Nigeria als größter Öl-Förderer Afrikas und elftgrößter Förderer der Welt durchaus ernst zu nehmen ist und eine Krise sich auf die Förderquoten des Kar6tells natürlich auswirken könnte, ist die Panik am Markt wieder übertrieben.

Zumindest zeigen die Freitags-Ausschläge im Öl-Handel, wie volatil die Situation ist. Sie wird es noch eine Zeit lang bleiben, immerhin lässt sich die Angst vor einer ungenügenden Bedarfsdeckung fast beliebig ausdehnen. Nach der momentan herrschenden Hauptreisezeit mit hohem Benzinverbrauch kommt schließlich der Winter mit hohem Heizölverbrauch… dem Ölpreis ist vor diesem Hintergrund nach oben zunächst keine Grenze gesetzt.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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