Alan Greenspan redet - und sagt nichts
Einst wurde Alan Greenspan vom Kongress hofiert wie ein König. Gut die Hälfte der jeweiligen Fragezeit verwendeten Republikaner wie Demokraten schamlos für Danksangungen und Lobpreis auf den obersten Notenbanker – der danach kaum noch Stellung beziehen musste. Mittlerweile hat sich der Ton in Washington geändert.
Als Alan Greenspan an diesem Donnerstagmorgen aufgestanden ist, dürfte er sich nicht besonders auf seinen Vormittagstermin gefreut haben. Sein halbjährlicher Rechenschaftsbericht vor dem Wirtschaftsausschuss des Kongress – einer von vielen Berichten, die der Fed-Chef regelmäßig vor beiden Kammern halten muss – ist längst zu einem drögen Herunterleiern bereits bekannter Wirtschaftsdaten geworden.
Lob und Dank sind Greenspan auch nicht mehr sicher: Außer dem Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses bemüht sich keiner der Abgeordneten und Senatoren um besondere Freundlichkeit. Man grüßt, dankt und fragt, letzteres indes ohne viel Hoffnung auf Erleuchtung. Denn Greenspan ist vor allem dafür bekannt, seine Antworten jeweils so unklar wie möglich zu formulieren. Klüger sind nach seinem Bericht und der anschließenden Fragestunde weder die Abgeordneten, noch die Wirtschaftsexperten vor den Fernsehern… und auch die Wall Street scheint nicht wieter zu kommen. Die großen Indizes handeln vor, während und nach dem Auftritt des legendären „Mr. G“ unbeeindruckt und überwiegend schwach.
Trotzdem ist absolut verständlich, warum US-Präsident George W. Bush noch immer so krampfhaft an Greenspan festhält. In einem Fernsehinterview am Mittwochabend erklärte Bush wieder einmal, wie schwer bis nahezu unmöglich es sei, nach Ende von Greenspans Amtszeit im Jahre 2006 einen ebenbürtigen Nachfolger zu finden. Sicher, leicht ist eine solche Personalie nicht zu lösen, zumal sich Bush den naheliegendsten Kandidaten selbst weggeschnappt hat: Den langjährigen Greenspan-Vize politisierte Bush, indem er ihn jüngst zum Chef seiner Wirtschaftsberater ins Weiße Haus holte. Für einen parteineutralen Posten an der Spitze der Fed scheidet Bernanke damit für immer aus.
Die Hauptschwierigkeit in der Nachfolgeregelung für Greenspan wird darin liegen, dass man sich im Weißen Haus wieder einen Fed-Chef wünscht, von dem trotz beharrlichen Nachfragens von allen Seiten keine Kritik an der Finanz- und Wirtschaftspolitik des Präsidenten kommt. Greenspan ist über die letzten Jahre zu einem treuen Verbündeten von George W. Bush geworden, der sich zwar immer wieder auch öffentlich einen ausgeglicheneren Haushalt wünscht, aber niemals die absolut verschwenderische Ausgabenpolitik der Regierung direkt schelten würde.
Im Gegenteil: Auch an diesem Donnerstagmorgen ging Greenspan so weit, die von George W. Bush geplanten Steuersenkungen zu unterstützen. Dass diese nicht an das jahrzehntelange Erfolgsrezept „PayGo“ – jede Ausgabe muss sofort bezahlt und nicht über Schuldenaufnahme bilanziert werden – geknüpft sind, ist Greenspan dabei völlig klar. Ebenso klar ist Greenspan, dass der Immobilienmarkt in manchen Teilen der USA auf einem ungesunden Niveau liegt und dass der Durchschnittsamerikaner über Hypotheken höher verschuldet ist denn je. Dies habe auch im Falle einer Korrektur am Immobilienmarkt „keine gravierenden Folgen für die Konjunktur“, meint Greenspan allerdings, nur um Minuten später auf Anfragen einer Abgeordneten aus dem teuersten Immobilienbezirk Orange County (Kalifornien) zu erklären, dass seine Einschätzung natürlich von der Bedeutung des Wortes „gravierend“ abhänge.
Mit solchem Gerede kann die Wall Street nicht viel anfangen. Dass sich die Indizes zur Mittagsstunde ein wenig ins Grüne wagen, hat denn auch nichts mit Greenspan zu tun, zumal der an Zinsanhebungen „in einem schrittweisen Tempo“ festhält und daher nichts neues über die mittelfristigen Aussichten für den Markt sagt. Vielmehr scheinen Anleger mittlerweile auf ein Quartals-Update von Intel zu blicken, bei dem klare Zahlen vorgelegt werden dürften. Nach einem Blick auf die Konkurrenz dürften die recht positiv ausfallen – das, und nicht Greenspan, bewegt die Börse im Donnerstagshandel.
Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
|