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Alt 07-06-2005, 19:09   #229
Starlight
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GM fährt weiter auf steinigen Wegen

Es muss eine eigenartige Stimmung sein beim Aktionärstreffen von General Motors in Wilmington im US-Staat Delaware, wo die Firma aus steuerlichen Gründen ihren Hauptsitz hat. Anleger hören von neuen Modellen und Kostensenkungen, so richtig überzeugend klingt nichts – aber zumindest steigt die Aktie im Dienstagshandel.

GM-Anleger müssen ganz besonders geduldige Leute sein. Oder große Optimisten. Denn was sie in den ersten Stunden der diesjährigen Aktionärsversammlung zu hören bekamen, rechtfertigt nur bedingt ein Plus für das Dow-notierte Papier. Da wären zum einen Kostensenkungen, zum anderen eine Erweiterung der Produktpalette, die man ironischerweise aber nicht ohne Berechtigung so umschreiben kann, wie ein Analyst am Morgen: GM will künftig schöne Autos bauen, die die Leute kaufen wollen.

Das ist ja schon einmal ein Ansatz. Immerhin will man ja den Marktanteil von zur Zeit 26 Prozent gerne anheben, wenngleich man die 47 Prozent wohl nie mehr erreichen wird, die GM vor dreißig Jahren bilanziert hat.

So richtig überzeugt die Idee dann aber doch nicht, wenn man einmal hinter die Kulissen blickt. Denn die Modelle, die über die nächsten dreißig Monate – das sind zweieinhalb Jahre! – auf den Markt kommen sollen, decken weitgehend die Sektoren Trucks und SUV ab, die US-weit langsam an Bedeutung verlieren. Dass GM den durchschnittlichen Benzinverbrauch von 11,9 auf 11,4 Liter auf hundert Kilometer senken will, dürfte die Wagen nicht wesentlich attraktiver machen.

Genauso vage wie die Erfolgsaussichten neuer Modelle sind unterdessen die Ideen, die das GM-Management zum Thema Kostensenkungen anbietet. Bis 2008 sollen zwar 25 000 Mitarbeiter entlassen und dadurch bis zu 2,5 Milliarden Dollar eingespart werden. Doch hört sich dieser Schritt leichter, an als er ausgeführt ist. Weitere Werkschließungen – GM hat in diesem Jahr bereits vier kleinere Produktionsstätten dicht gemacht – empfehlen sich nicht. Laut dem Tarifvertrag muss das Unternehmen danach nämlich 95 Prozent der Löhne weiterzahlen.

General Motors wartet also auf auslaufende Verträge, was den Personalabbau auch über so lange Zeit hinaus verzögert.

Auch die geplanten Kostensenkungen in der Krankenversicherung dürften dem Unternehmen weiter Kopfzerbrechen bereiten, müssen aber irgendwie durchgezogen werden. Pro verkauftem Auto fließen zur Zeit satte 1500 Dollar in die Krankenversicherung für Mitarbeiter und Pensionäre, was GM einen deutlichen Wettbewerbsnachteil gegenüber der ausländischen Konkurrenz einbringt. Den Eigenanteil der aktuellen und ehemaligen GM’ler zu heben, wird indes nicht leicht sein. Denn die Gewerkschaft der Automobil-Arbeiter wird ihren sensationellen Deal nicht leicht aufgeben wollen. Immerhin: Während der durchschnittliche Amerikaner 25 Prozent seiner Versicherung selbst bestreitet, liegt der Eigenanteil bei GM bei mageren 7 Prozent.

So gesehen bekommen GM-Aktionäre am Dienstag in Delaware zwar einige Ideen vorgesetzt, aber doch kaum ein duchführbares Konzept und erst recht kein Allheilmittel für den kränkelnden Konzern. Dass sich CEO Rick Wagoner weiterhin weigert, klare finanzielle Ziele für den Konzern oder die 114 Milliarden Dollar schwere Nordamerika-Sparte zu nennen, steigert das Vertrauen nicht. Wagoner will zur Zeit nicht einmal sagen, wann der Konzern, der im zurückliegenden Quartal einen Verlust von 1,3 Milliarden Dollar eingefahren hat, wieder profitabel sein wird.

Was Anleger zudem belasten sollte: Am Abend läuft das Angebot von Großinvestor Kirk Kerkorian aus, der eigentlich weitere 28 Millionen GM-Aktien zu einem Kurs von 31 Dollar übernehmen wollte. Seine Ankündigung hat das Papier jüngst von einem historischen Tief von 24 Dollar auf eben jenen Kurs schnellen lassen – zur Wochenmitte dürfte sich GM folglich wieder in unter die Dreißig-Dollar-Grenze verschieben.

GM notiert im Dienstagshandel mit einem Plus von 1,7 Prozent bei 30,95 Dollar.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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