25.05.05
Demokratie und Irrsinn
10:16 25.05.05
Natürlich habe ich mir nichts von der Wahl am Wochenende angeschaut – außer der ersten Umfrage um 18 Uhr. Das anschließende Ritual ist unerträglich, die Journalistenfragen genauso wie die Politikerantworten. Es gehört zu einer Demokratie dazu, aber man muss es sich nicht anschauen.
Stattdessen habe ich einen Film über einen wirklich tollen Mann gesehen, eine 3-DVD-Box über Eric Cantona, den genialen Mittelstürmer von Leeds United und Manchester United in den Neunziger Jahren.
Zur selben Zeit trat ein anderer toller Mann vor die Kameras. Es war unser Kanzler und er kündigte Neuwahlen für den Herbst an. Natürlich ist das auch ein strategischer Schachzug, aber eben nicht nur. Ich habe den allergrößten Respekt vor dieser Entscheidung. Sie zeigt Größe und Verantwortung für unsere Demokratie. Die SPD hat eine harte Sanierungspolitik begonnen, und das Volk ist nicht gewillt, diesen Weg mitzugehen. Deswegen stellt die Regierung die Vertrauensfrage. Besser geht es nicht.
Natürlich hat das alles etwas komplett Irres und Wahnsinniges an sich. Der SPD wird die Quittung präsentiert für ihren harten Sanierungskurs. Und dafür wird jetzt die Union gewählt, die eigentlich noch härter sanieren will, uneigentlich aber bisher nur Blubberblasen von sich gegeben hat. Sie wollen sanieren, dürfen das aber nicht sagen, weil sie ansonsten nicht gewählt werden würden. Wenn das kein Wahnwitz ist.
Aber die Union will natürlich lieb sanieren. „Aus Spaß sind alle bösen Tiere heute lieb“, sagt meine Tochter oft zu mir, wenn wir anfangen zu spielen. In der Politik sieht es auch nicht anders aus als in der Welt eines vierjährigen Mädchens.
Der neue Ministerpräsident von NRW möchte das Land dadurch sanieren, dass die Verwaltung durchforstet und gestrafft, in Bildung investiert wird und die Universitäten gefördert werden. Da lachen ja die Hühner. Aber das ist natürlich „liebe Sanierung“. Das tut nicht weh, ist positiv und daher wählbar. Meine Güte! Und für so einen Quatsch, der weder durchführbar ist noch etwas bringt, wird die neue Regierung gewählt. Der Wahnwitz kennt wirklich keine Grenzen.
Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass, Angela. Das wird das Leidmotiv der Deutschen für die nächsten Jahre sein.
Mit den besten Grüßen!
Bernd Niquet
__________________
Wenn viele Anleger dasselbe glauben, dann muss dies noch lange nicht bedeuten, dass es stimmt oder wahrscheinlich ist. Das Gegenteil ist oft der Fall.
|