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Alt 16-05-2005, 20:59   #218
Starlight
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Angst vor dem heißen Sommer

Für viele New Yorker war es nur ein Abenteuer, als im heißen Sommer vor zwei Jahren die Lichter ausgingen und der teuerste Stromausfall in der US-Geschichte begann. Viele nutzten den Ausfall von TV und Computer zu spontanen Nachbarschaftsparties – der Stromausfall wurde zum gesellschaftlichen Erlebnis. Das könnte sich in diesem Sommer wiederholen.

Dabei fällt ein Bericht an diesem Montag gar nicht so negativ aus. Im Gegenteil: Der Verband für die Zuverlässigkeit der Stromversorgung in Nord-Amerika schätzt, dass die Industrie in den nächsten Monaten die Nachfrage decken kann. Unkontrollierbare Stromausfälle sollten nicht vorkommen, bilanzieren die Experten, die aber sogleich einschränken „wenn keine extremen Witterungsbedingungen auftreten“.

Extreme Witterungsbedingungen sind indes nicht ganz auszuschließen, und je höher die Temperaturen zwischen Los Angeles und Manhattan klettern, desto mehr Strom fressen die Klimaanlagen, die den an sich nicht sehr temperaturflexiblen Amerikaner kühlen.

Dennoch: Der Bericht stimmt recht optimistisch. Trotz eines wahrscheinlich hohen Nachfrageanstiegs im Nordosten und im Mittleren Westen ist der Verband guter Dinge, zumal die Überlandleitungen solide seien, mit denen große Strommengen über tausende von Kilometern übertragen werden können.

Nur einen Haken hat der Bericht: Der Verband ist von der Energie-Industrie gesponsert, und angesichts eines weniger optimistischen Berichts der Energiebehörden in Washington vor zwei Wochen darf seine Zuverlässigkeit angezweifelt werden.

Zwar glaubt man auch in der Hauptstadt, dass der Strombedarf im kommenden Sommer gedeckt werden dürfte. Doch prognostiziert man neben steilen Preisanstiegen durchaus auch mögliche Stromausfälle vor allem im Westen der USA. Wasserkraft – allein der 2000 Kilometer lange Columbia River sorgt mit 14 Dämmen zwischen Kanada und dem US-Bundesstaat Oregon für 30 Prozent der Energie für den amerikanischen Westen – könnte erneut ein Problem werden, wenn eine prognostizierte Dürre die Wasserpegel absinken und das Potenzial des Flusses zur Stromgewinnung rapide sinken lässt.

Weitere kritische Punkte wollen die Experten in Connecticut festgestellt haben, wo man mit „ungenügenden Vorräten“ in die Saison startet. Mit Connecticut steht und fällt der ganze Nordwesten der USA, und mit Kalifornien bleibt einer der wirtschaftlich wichtigsten Bundesstaaten weiterhin das Sorgenkind Nummer 1.

Der kommende Sommer werde aus Energie-Sicht auf jeden Fall „unter den Durchschnitt“ verlaufen, bilanziert die Energiebehörde. Stromversorger dürften allerdings auf andere Energien ausweichen, wenn ihnen beispielsweise Wasserkraft wegbricht: Wichtigste Alternative dürfte nach Expertenmeinung Erdgas sein, dessen Preise zuletzt aber stark zugelegt haben. Dem Verbraucher steht nach einem teuren Winter mit hohen Ölpreisen einerseits eine teure Ferienzeit mit hohen Benzinpreisen bevor oder ein teurer Sommer zu Hause mit teuren Strompreisen.

Das sind keine guten Aussichten, vor allem vor dem Hintergrund der schon seit Monaten sinkenden Verbraucherdaten.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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